Willkommen in Köln

Willkommen in Köln

Bierfass auf der Brücke toppt die Rockband „Alphaville“

Von der Hohenzollernbrücke aus wollte ich meinem Hamburger Kollegen eine besondere Ansicht von Köln zeigen. Dabei hatten wir ein rührendes Erlebnis. Foto: Gerald Diepolder

Von Jürgen Streich

Vor inzwischen vielen Jahren erhielt ich einen Anruf eines geschätzten Freundes und Kollegen aus Hamburg. Er war und ist Musik- und Szenejournalist und hatte damals die Angewohnheit, mit sehr guten Terminvorschlägen manchmal kurz vor knapp zu kommen. So fragte er mich am Telefon, ob ich Lust und Zeit hätte, gemeinsam mit ihm am nächsten Mittag die Band „Alphaville“ zu ihrem neuen Album zu interviewen. Und zwar in Köln, vor dessen Toren ich bis heute lebe. Klar hatte ich Lust und die Zeit würde ich mir nehmen. „Alphaville“ war damals mit Hits wie „Big in Japan“ und „Forever Young“ international erfolgreich. Ich fand die Band beachtlich, schätzte deren politisches Engagement und war gespannt auf die neue Platte. Mein Kollege freute sich und betonte, dass er ja fast schon in jeder deutschen Stadt gewesen sei, in Köln aber noch nie.

Tags darauf holte ich ihn am Kölner Hauptbahnhof ab. Er eröffnete mir gleich, dass die Agentur der Band, bei der das Interview stattfinden sollte und die fußläufig gut für uns erreichbar war, den Termin um zwei Stunden verschoben hatte. Wir hatten also noch Zeit. Ich dachte mir, dem Freund und Kollegen die meines Erachtens nach schönste Ansicht Kölns zu zeigen. Dazu muss man ein Stück auf die allein schon beeindruckende Hohenzollernbrücke gehen, sodass man einen Teil davon im Vordergrund sieht und von dort aus auf das linke Rheinufer mit der Altstadt, den Kölner Dom, das architektonisch gelungene Museum Ludwig davor und die markanten Kirche Groß St. Martin sehen kann. Wir machten uns auf den Weg.

Als wir auf dem Fußgängerweg schon ein gutes Stück auf der Brücke, auf der ansonsten nur Züge fahren, gegangen waren, sahen wir am Rand des Weges einen älteren Mann, der auf einem Stuhl saß. Neben ihm stand ein Fässchen Kölsch, auch Gläser und Wasser zum Spülen hatte er dabei. Als wir in seine Nähe kamen, fragte er, ob er uns ein Kölsch anbieten dürfe und hatte dabei schon zwei einladend überschäumende Gläser in den Händen. Mein Freund, ansonsten kein Kind von Traurigkeit, schaute auf die Uhr und meinte, es sei arg früh für ein geistiges Getränk, zumal wir noch ein wichtiges Gespräch vor uns hätten. Dennoch interessierte den Kollegen von der Waterkant, ob der freundliche Mann Werbung für eine spezielle Marke des kölnischen Bieres mache. Als der verneinte, blieb mein Freund neugierig und fragte, weshalb er denn Kosten und Mühe auf sich nahm, wildfremde Menschen vormittags und mitten in der Woche mit Kölsch zu beglücken.

„Ich bin heute morgen um sechs Uhr Großvater des schönsten Babies der Welt geworden. Und darauf möchte ich mit Ihnen anstoßen“, antwortete der. Mein Besuch aus Hamburg war baff. Wir schauten erst uns und dann den frischgebackenen Opa an. Ohne jede Absprache platzte es dann aus einem von uns beiden heraus: „Aber klar, trinken wir mit Ihnen auf das Kind!“ Und ließen uns mit ihm das Kölsch schmecken.

Dabei erfuhren wir von dem Großvater, dass der neue Erdenbürger ein Mädchen war und so und so heiße. Den Namen habe ich vergessen, aber er gefiel mir. Bald kannten wir auch die Größe und das Gewicht bei der Geburt. Wir wollten wissen, ob es sein erstes Enkelkind sei – ja, war es – und wo es künftig leben würde: mit seinen Eltern am westlichen Kölner Stadtrand, nicht weit von Oma und Opa weg. Und so weiter.

Inzwischen bekamen wir ungefragt ein zweites Kölsch. Das veranlasste uns zu der Frage, wie er das Fässchen und das weitere Equipement denn überhaupt auf die Brücke bekommen habe. Ach, winkte der Mann ab, an einem so wunderbaren Tag sei auch das kein Problem gewesen. Jemand aus der Verwandtschaft habe die geplante Aktion unterstützenswert gefunden und ihm beim Transport geholfen. Es sei vereinbart – damals hatte noch längst nicht jeder ein Handy –, dass derjenige in der Nachmittagszeit mit einer Sackkarre zur Abholung komme.

So schön die Begegnung auch war und so gern wir auch noch ein drittes Kölsch getrunken hätten, so langsam mussten wir uns dann in Richtung Schildergasse aufmachen. Wir veraschiedeten und in bester Stimmung von dem Großvater und wünschten uns gegenseitig alles Gute.

Angesichts des besonderen Erlebnisses waren mein Kollege und ich, als wir auf der Hohenzollernbrücke in Richtung Dom gingen, ein paar Sekunden lang still, als wenn wir es erst einmal sacken lassen müssten. Dann sagte mein Kollege: „So was habe ich ja noch nirgendwo erlebt!“ In einem Anfall von Fremdstolz entgegnete ich: „Willkommenn in Köln.“ „Hier gefällt’s mir“, meinte der Hamburger an meiner Seite.

Nach einem circa halbstündigen Gang durch die Kölner Innenstadt trafen wir die Jungs von „Alphaville“ in guter Stimmung an – vom eher fein gekleideten Keyboarder bis hin zum typischen Rocker, dem Frontmann Marian Gold (der immer noch Sänger von „Aphaville“ ist und inwischen selbst in eher dezentem Chick auftritt). Nur eins gefiel den Musikern nicht: Die Agentur hatte Kaffee und Teilchen serviert. Den Kaffee fanden alle okay, aber in der Mittagszeit war ihnen eher nach deftigerer Nahrung zumute. Also zog der Drummer los, um schon bald mit einem Stapel Pizza-Kartons zurückzukommen. Für jeden, auch uns, war etwas dabei und alle waren glücklich. Außer, den Eindruck hatte ich deutlich, der Agentur-Mitarbeiter, der später alles inklusive der unberührten Teilchen abräumte.

Anschließend meinte ein Bandmitglied: „In der Stadt hier gibt es doch bestimmt auch Kölsch.“ – „Oh ja!“, antwortete mein Kollege…

One Reply to “Willkommen in Köln”

  1. Lieber Jürgen,
    fast jeden Tag hadere ich mit der Stadt Köln und ihren Bewohnern. Auf der einen Seite bekommt die Stadt nichts gebacken, dem gegenüber steht eine ungerechtfertigte Selbstbesoffen- und verliebtheit, die einem die Schamesröte ins Gesicht treibt.
    Warum ich Köln dennoch mag? Es liegt an meinem Veedel, das von der Stadt vernachlässigt wird, das aber immer noch lebenswert ist. Es liegt am Rhein, bei dem ich in zwei Minuten bin. Es liegt an Kleinigkeiten. Vielen, vielen Kleinigkeiten. Kleinigkeiten wie Begegnungen, wie Du sie auf der Brücke hattest. Was für eine schöne Geschichte!
    Selbst nach weit über 30 Jahren ist Köln für einen Hamburger wie mich ein Rätsel. Aber ich nähere mich an.
    Bis bald mal, Jürgen!

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