Die Träger/innen des Alternativen Nobelpreises 2023

Die Träger/innen des Alternativen Nobelpreises 2023

Pressemitteilung der Rhight Livelihood Award Stiftung

STOCKHOLM – Sie sind Zeug*innen großen Leids und kämpfen um das Leben und die Würde Einzelner ebenso wie um die Lebensgrundlagen von Menschen überall auf der Welt: Die Right Livelihood Preisträger/innen 2023 setzen gesellschaftlichen Tabus beim Thema Abtreibung in afrikanischen Ländern, dem autoritären Regime und korrupten Unternehmen in Kambodscha, einer wachsenden humanitären Krise im Mittelmeer und menschen- wie umweltschädigen Geschäftspraktiken in Kenia Konzepte für eine lebenswerte Zukunft entgegen.

Der Right Livelihood Award 2023 geht an:

Eunice Brookman-Amissah aus Ghana „dafür, dass sie eine umfassende gesellschaftliche Auseinandersetzung über die reproduktiven Rechte von Frauen in Afrika angestoßen und den Weg für liberale Abtreibungsgesetze und einen besseren Zugang zu sicheren Abtreibungen geebnet hat” (Ehrenauszeichnung)

Mother Nature Cambodia „für ihren unerschrockenen und erfolgreichen Umwelt-Aktivismus trotz massiv eingeschränkter zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume in Kambodscha”

SOS MEDITERRANEE „für ihre lebensrettenden humanitären Search and Rescue-Einsätze im Mittelmeer”

Phyllis Omido aus Kenia “für ihren bahnbrechenden Einsatz für die Land- und Umweltrechte lokaler Gemeinschaften und die Weiterentwicklung des Umweltrechts”

„Die Right Livelihood-Preisträger/innen 2023 kämpfen für das Recht aller Menschen auf Gesundheit, Sicherheit, eine saubere Umwelt und Demokratie”, sagte Ole von Uexküll, Direktor von Right Livelihood. „Diese Preisträger/innen engagieren sich für die Mitspracherechte von Gemeinschaften und Individuen, die von unverantwortlicher und korrupter Politik betroffen sind. Sie tragen für das Leben ihrer Mitmenschen Sorge, seien es indigene Gemeinschaften oder Schutzsuchende, die auf der Flucht ihr Leben riskieren.“

Mit Brookman-Amissah und Mother Nature Cambodia werden erstmals Preisträger*innen aus Ghana und Kambodscha mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet.

Die diesjährigen Preisträger/innen werden am 29. November 2023 in Stockholm ausgezeichnet. Die feierliche Veranstaltung wird live übertragen.

Seit über 40 Jahren ehrt Right Livelihood außergewöhnliche Persönlichkeiten und Organisationen, die sich erfolgreich für Frieden, Nachhaltigkeit und eine gerechte Welt für alle einsetzen. Der Preis ist mit einer lebenslangen Unterstützung verbunden, um die Arbeit der Preisträger*innen zu stärken und bekannter zu machen. Für 2023 wurden 170 Nominierte aus 68 Ländern berücksichtigt. Zu den bisherigen Preisträger*innen gehören die ukrainische Menschenrechtsverteidigerin Oleksandra Matviichuk, der kongolesische Gynäkologe und Frauenrechtler Dr. Denis Mukwege oder die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Kurzbiografien der Preisträger/innen 2023

EUNICE BROOKMAN-AMISSAH
Eunice Brookman-Amissah ist eine ghanaische Medizinerin und Aktivistin, die mit ihrem jahrzehntelangen Einsatz den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen in ganz Afrika vorangetrieben hat. Sie sorgte dafür, dass sich Politik und Gesellschaft mit den reproduktiven Rechten von Frauen auseinandersetzten und es heute Sensibilisierungs- und Schulungsprogramme gibt. Unermüdlich hat sie Vertreter*innen aus dem Gesundheitswesen, der Politik sowie Anwält*innen und Aktivist*innen zu Gesprächen über reproduktive Gesundheit zusammengebracht und so Reformen der Abtreibungsgesetze in Mosambik, Sierra Leone, Benin, Eswatini und Kenia sowie die Verabschiedung von Abtreibungsgesetzen unter anderem in Ghana, Sambia, Malawi, Senegal und Mauritius angestoßen.

In Subsahara-Afrika werden jedes Jahr Millionen unsichere und damit gesundheits- und lebensgefährdende Abtreibungen vorgenommen. 2019 waren es laut einer Studie des Guttmacher-Instituts 6,2 Millionen. In dieser Region ist der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen weltweit am schwierigsten: Ein Großteil aller Frauen lebt in Ländern, in denen das Recht auf Abtreibung eingeschränkt ist. Brookman-Amissah, die zu Beginn ihrer Karriere als Ärztin praktizierte, sympathisierte zunächst mit der Lebensrechtsbewegung. Doch als eine ihrer jugendlichen Patientinnen an den Folgen einer unsachgemäßen Abtreibung starb, veränderte sich ihre Perspektive, und Brookman-Amissah begann sich für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen einzusetzen. Ihr Engagement hat maßgeblich dazu beigetragen, die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen in der Region seit 2000 um 40 Prozent zu senken.

Als Brookman-Amissah mit ihrer Arbeit begann, war Abtreibung gesellschaftlich tabuisiert, niemand sprach darüber. Sie aber setzte sich unermüdlich für sichere Schwangerschaftsabbrüche ein. Ihr Ziel: Frauen und Mädchen zu stärken, ihre Autonomie zu fördern, ihre Gesundheit sicherzustellen und ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich persönlich und beruflich entfalten können. Brookman-Amissah ist eine Pionierin im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte.

Geburtsort: Ghana
Geburtsjahr: 1945
Ausbildung: Medizinische Fakultät der Universität Ghana, Accra
Facebook: facebook.com/profile.php?id=100009338318548
LinkedIn: linkedin.com/in/eunice-brookman-amissah-12b2463b/

Zitat von Eunice Brookman-Amissah

„Es ist eine große Ehre, dass meine und die Arbeit meiner Kolleg*innen in ganz Afrika gewürdigt wird. Ich bin dankbar, dass auf diese Weise das Bewusstsein für die dramatischen Folgen unsicherer Abtreibungen geschärft wird, denn es bleibt selbst im 21. Jahrhundert noch ein kontroverses Thema.”

MOTHER NATURE CAMBODIA

Mother Nature Cambodia ist eine Jugendorganisation und die wichtigste Umweltrechtsorganisation des Landes. Ihre Mitglieder kämpfen gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften für Umweltschutz und sichere Lebensgrundlagen. Auch das immer härtere Vorgehen der Regierungsbehörden gegen zivilgesellschaftliches Engagement hält sie nicht ab. Durch Social Media-Aktionen sowie die Schulung und Mobilisierung junger Kambodschaner*innen auf lokaler und nationaler Ebene hat Mother Nature Cambodia wesentlich dazu beigetragen, zahlreiche Umweltverstöße im Land aufzudecken und zu beenden. Dank ihrer Kampagnen wurde beispielsweise der Bau eines Wasserkraftwerks im Areng-Tal gestoppt, das eine indigene Gemeinschaft bedrohte. Der Organisation gelang es auch, dem weitgehend korrupten Sandabbau und illegalen Export aus der Provinz Koh Kong Einhalt zu gebieten, der lokale Fischgründe und das Ökosystem zerstörte.

Das junge, agile Team von Mother Nature Cambodia hat es sich seit 2012 zur Aufgabe gemacht, gegen zerstörerische und korrupte Naturausbeutung zu mobilisieren. Seit 2015 wurden elf Aktivist*innen inhaftiert und Dutzende festgenommen, ein Teammitglied und auch der Gründer Alejandro González-Davidson sahen sich gezwungen, Kambodscha zu verlassen. Lokale Gemeindemitglieder, die mit Mother Nature Cambodia zusammenarbeiten, sind ebenfalls Einschüchterungen, juristischen Schikanen und polizeilicher Überwachung ausgesetzt.

Trotz dieser kontinuierlichen Bedrohung hält die Organisation an ihrem Kurs fest und arbeitet unerschrocken weiter. Die Organisation, die immer wieder auf die Interdependenz von Demokratie, Menschenrechten und Umweltschutz hinweist, ist zu einem Leuchtturm der Hoffnung für künftige Generationen geworden.

Hauptsitz: Kambodscha
Gründungsjahr: 2012
Website: mothernaturecambodia.org
Facebook: facebook.com/mothernaturecambodia

Zitate von Mother Nature Cambodia

„Dieser Preis gebührt nicht nur dem Team von Mother Nature Cambodia, sondern allen Menschen in Kambodscha, die uns unterstützen und uns zu unserer Arbeit motivieren.”
-Sun Ratha, Finanzchefin von Mother Nature Cambodia, die 2021 für ihren Aktivismus fünf Monate im Gefängnis verbrachte.

„Der Diktator will, dass wir uns von der Politik fernhalten, uns nicht für Demokratie einsetzen und seine Regierung nicht kritisieren. Diese Auszeichnung zeigt, dass wir das Recht haben, aktiv zu sein, dass wir das Recht und auch die Pflicht haben, unser Land zu schützen.”
-Ly Chandaravuth, Mitarbeiter von Mother Nature Cambodia, der 2021 ebenfalls fünf Monate inhaftiert war.

SOS MEDITERRANEE

SOS MEDITERRANEE ist eine europäische maritim-humanitäre Organisation, die im Mittelmeer, der tödlichsten Migrationsroute der Welt, Menschen in Seenot rettet. Seit Beginn ihrer Search and Rescue-Einsätze im Jahr 2016 hat die Organisation mehr als 38.500 Personen in Sicherheit gebracht. SOS MEDITERRANEE hält sich strikt an das internationale Seerecht und die hohen Standards für Search and Rescue. Damit macht die Organisation deutlich: Seenotrettung ist eine rechtliche Verpflichtung.

Die Organisation, ein Zusammenschluss aus Ländervertretungen in Frankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz, gründete sich im Mai 2015 als Reaktion auf die tragischen Tode im Mittelmeer und das Unvermögen der Europäischen Union, diesem Problem wirksam zu begegnen. Dank der Bündelung von Ressourcen aus vier Ländern finanziert und unterhält der Verein das Rettungsschiff Ocean Viking und dessen professionelle Besatzung. Aus Seenot gerettete Menschen werden bereits an Bord medizinisch und psychosozial betreut. SOS MEDITERRANEE verschafft den Überlebenden außerdem Gehör, indem es ihre Geschichten dokumentiert.

Der unerschütterliche Einsatz der Organisation rettet nicht nur Leben, sondern erinnert die Öffentlichkeit sowie europäischen Institutionen und nationale Regierungen immer wieder an die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer.

Hauptsitze: Berlin, Deutschland; Marseille, Frankreich; Mailand, Italien; und Genf, Schweiz
Gründungsjahr: 2015
Website: sosmediterranee.org
Twitter: @SOSMedIntl

Zitat von Caroline Abu Sa’da, Geschäftsführerin des Schweizer Büros von SOS MEDITERRANEE

„2023 ist ein extrem tödliches Jahr für Menschen, die über das Mittelmeer zu fliehen versuchen. Diese Auszeichnung trägt dazu bei, auf die Situation tausender Menschen, die ihr Leben riskieren, aufmerksam zu machen.”

PHYLLIS OMIDO

Phyllis Omido ist eine kenianische Umweltaktivistin, die erfolgreich für die Gesundheit und die Rechte der Bewohner*innen des Dorfes Owino-Uhuru kämpfte, die seit der Inbetriebnahme einer Batterie-Schmelzanlage massiv von Bleivergiftungen betroffen waren. Omido hat durch juristische Schritte sowie Lobby- und Medienarbeit wichtige Präzedenzfälle geschaffen, die das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt und die Verantwortung des Staates, dieses Recht zu schützen, stärken.

Omido, die auch „Erin Brockovich von Ostafrika” genannt wird, arbeitete selbst in der Schmelzanlage. Sie, ihr Sohn und tausende Menschen in der Gemeinde erlitten schwere Vergiftungen. Als sich die Eigentümer sowie Behördenvertreter*innen weigerten, aus der von Omido vorgelegten Umweltverträglichkeitsstudie Konsequenzen zu ziehen, mobilisierte sie die Gemeinde zu Protesten. Nach einer Demonstration im Jahr 2012 wurde Omido in ihrem Haus angegriffen und unter dem unbegründeten Vorwurf des Terrorismus und der Anstiftung zur Gewalt verhaftet.

Dank Omidos Engagement wurden inzwischen 17 toxische Industrieanlagen in Kenia geschlossen. Aufgrund ihrer Expertise hat sie auch die Vereinten Nationen beraten und dazu beigetragen, dass 2017 eine UN-Resolution zur Bekämpfung unsachgemäßen Recyclings von Bleibatterien in Afrika verabschiedet wurde. Omido war es von Anfang an ein Anliegen, ihr Wissen über Umweltrechte weit über Owino Uhuru hinaus zu verbreiten. So hat sie mit ihren Mitstreiter*innen ein grenzübergreifendes Netzwerk von 120 Land- und Umweltschützer*innen in Kenia, Uganda und Tansania aufgebaut, um andere Betroffene dabei zu unterstützen und zu begleiten, ihre Gemeinden vor Umweltschäden zu schützen.

Geburtsort: Dorf Kidinye, Kenia
Geburtsjahr: 1978
Ausbildung: Universität von Nairobi (Betriebswirtschaftslehre)
Website: centerforjgea.com
Twitter: @phyllis_omido
Instagram: @mamamazingira

Zitat von Phyllis Omido
„Zurzeit sind viele Menschen in den Gemeinden niedergeschlagen – und sie schauen auf mich, um Hoffnung zu finden. Dieser Preis wird ihnen die Hoffnung geben, dass sie nicht allein dastehen, sondern Teil eines globalen Kampfes sind. Überall auf der Welt schauen Menschen auf unsere Arbeit und unterstützen sie.“

Über Right Livelihood

Seit über 40 Jahren unterstützt Right Livelihood couragierte Menschen, die sich den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit stellen. Jedes Jahr ehrt die Stiftung außergewöhnliche Persönlichkeiten und Organisationen, die sich erfolgreich für Frieden, Nachhaltigkeit und eine gerechte Welt für alle einsetzen.

194 Preisträger/innen aus 76 Ländern haben den Right Livelihood Award bisher erhalten. So schafft Right Livelihood ein weltweites, stetig wachsendes Netzwerk engagierter Visionär/innen und fördert nachhaltigen gesellschaftliche Wandel.

Der Right Livelihood Award wurde 1980 ins Leben gerufen, nachdem die Nobelstiftung den Vorschlag abgelehnt hatte, auch Persönlichkeiten oder Organisationen zu würdigen, die in den Bereichen Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit Außerordentliches leisten. Insbesondere Changemaker aus dem Globalen Süden sollten mit dem Preis größere Aufmerksamkeit erhalten.

Die Arbeit von Right Livelihood geht weit über die Auszeichnung hinaus: Die Stiftung begleitet ihre Preisträger*innen ein Leben lang, trägt ihre innovativen Lösungsansätze in die Öffentlichkeit, bringt sie mit anderen wichtigen Akteur/innen weltweit zusammen und steht an ihrer Seite, wenn sie Schutz brauchen. Die Stiftung hat ihren Hauptsitz in Stockholm sowie eine Niederlassung in Genf. Right Livelihood verfügt über den besonderen Konsultativstatus bei den Vereinten Nationen.

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