Hürther Ordnungsbeamte missverstehen ihren Auftrag gründlich

Hürther Ordnungsbeamte missverstehen ihren Auftrag gründlich

Verwarngeld trotz außergewöhnlicher Situation gnadenlos eingetrieben

Ein Kommentar von Jürgen Streich

Hürth (7. 10. 2022) – Der Fall und sein Ausgang – der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete ausführlich – machen einen fassungslos. Da rettet der pensionierter Polizist Karl-Heinz Streichardt sein Auto aus der während eines Starkregens volllaufenden Tiefgarage und parkt es unter diesen besonderen Umständen zunächst auf einem nicht dafür vorgesehenen Grünstreifen. Die Suche nach einer legalen Parkmöglichkeit hätte die anderen Fahrzeuge, die ebenfalls schnell aus der Tiefgarage herausmussten, behindern können. Außerdem wäre dem 77-jährigen Mann ein längerer Weg durch den Wolkenbruch zurück zu seiner Wohnung kaum zuzumuten gewesen. Im Treppenhaus stürzt er dann und bricht sich das Steißbein. Sein Auto am Abend noch von dem Grünstreifen wegzufahren war in dieser Situation unmöglich.

Als er es am nächsten Morgen trotz seiner Verletzung bis zu seinem Auto schafft, findet er hinter dem Scheibenwischer ein „Knöllchen“ vor. Nicht weniger als 55 Euro will die Stadt Hürth wegen Falschparkens von ihm haben.

Streichardt lässt das Ordnungsamt unverzüglich wissen, unter welchen Umständen sein „Vergehen“ zustandegekommen ist. Auch ein ärztliches Attest könne er vorlegen. Das wollen die Beamten auch sehen, Streichardt bringt es bei. Der Befund der Behördenvertreter: Das reicht nicht, die Verwarngeld-Forderung bleibt bestehen. Wenn Streichardt das nicht einsehe und zahle, würden die 55 Euro plus anfallender Kosten auf dem Wege der Pfändung eingetrieben. Gleichzeitig übergibt das Ordnungsamt den Fall der Staatsanwaltschaft Köln. Mit welcher Begründung das geschieht bleibt das Geheimnis der Hürther Stadtverwaltung.

Entschieden hätte den Fall letztlich das Amtsgericht in der benachbarten Schlossstadt Brühl. Streichardts Rechtsanwalt rechnet für seinen Mandanten gute Chancen aus. Doch dadurch würden weitere Kosten auf ihn zukommen. Karl-Heinz Streichardt gibt auf. Er geht ins Rathaus und zahlt das Verwarngeld, zu dem inzwischen 57 Euro Gebühren hinzugekommen sind. Die Aussicht auf noch höhere Kosten hat den Rentner vor weiteren Schritten abgeschreckt.

Die Hürther Ordnungsbeamten sollten alles andere als stolz sein auf ihre Unnachgiebigkeit, die hier völlig fehl am Platze war, und sich stattdessen abgrundtief schämen. Mal ganz abgesehen davon, dass es für sich schon eine Unverschämtheit war, am Morgen, nachdem die Autos aus der mit Wasser volllaufenden Tiefgarage in Sicherheit gebracht werden mussten, ausgerechnet zu dem betroffenen Wohnhaus Parkkontrolleure zu schicken, haben sie ihren Auftrag gründlich missverstanden.

Allzu viele Behördenvertreter scheinen immer noch zu glauben, dass sie mit dem Beamtenstatus so etwas wie Vorgesetzte der Bürger geworden seien und dass es dazu gehöre, diese, wenn sie nicht exakt nach Paragraphen und Verordnungen spuren, unnachgiebig zu sanktionieren. Das auch, wenn besondere Umstände überhaupt nicht zu diesen Regelungen passen. Doch Flexibilität bei deren Auslegung und Anwendung zu verlangen, überfordert das Behörenpersonal erkennbar. Deshalb entscheiden sie gnadenlos so, wie es irgendwo geschrieben steht. Das erfordert keine intellektelle Eigenleistung und macht am wenigsten Arbeit. Welche teilweise satirereifen bis traurigen Ergebnisse dabei herauskommen, ist egal. Hauptsache, auf dem Beamtenschreibtisch herrscht Ordnung.

Dass solches Verhalten besonders häufig in den Rathäusern und ihren Nebenstellen, also auf kommunaler Ebene, vorkommt, ist leicht erklärbar. Auf dieser untersten Behördenebene gibt es den meisten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Hier geht das, was auf höherer Ebene nicht mehr so leicht oder gar nicht möglich ist: Den Bürgerinnen und Bürgern und damit auch sich selbst sein bisschen Macht zu demonstrieren.

Beamte, die sich so verhalten – und das sind nicht wenige – gehören dringend in eine Nachschulung über den eigentlichen Sinn und Zweck des Beamtentums: Die Bürgerinnen und Bürger in deren Sinne zu verwalten. Und nicht, bei einem Rentner, der von einer unverschuldeten Sondersituation betroffen ist und sich dabei auch noch heftig verletzt, ohne jegliches Gespür für die Besonderheit des Falles ein Verwarngeld plus aller möglichen Gebühren einzutreiben.

Tatsächlich muss man die vielen Beamtinnen und Beamten, die eine andere Auffassung ihres Auftrages und ihrer Arbeit haben und ihren Job im Sinne der Allgemeinheit bürgernah und mithin auch kreativer gestalten, gegen diese andere Spezies deutlich in Schutz nehmen. Es fragt sich nur, welche dieser beiden Arten in den Amtsstuben in der Mehrheit ist.

5 Replies to “Hürther Ordnungsbeamte missverstehen ihren Auftrag gründlich”

  1. Dieser Kommentar ist mir aus dem Herzen geschrieben, ich kann jedes Wort unterstreichen. Nach fast zehn Jahren Dienst im Verteidigungsministerium habe ich genügend Erfahrung sammeln können über die Menge der Verstöße gegen das Wesen „Vernunft“, die in erstaunlicher Größenordnung dem eigenen Auftrag immer wieder Knüppel in den Weg gelegt haben. Beispiele ernster aber auch kurioser Art gab es immer wieder.

  2. M. E. sollte der Bürgermeister den Rentner mit einem Blumenstrauß besuchen, sich für seine übereifrigen Ordnungshüter entschuldigen und dafür sorgen, daß dem Rentner das Geld rücküberwiesen wird .

  3. Hallo, Hürther Bürger,
    wenn ihr glaubt, dass euch so etwas nicht passieren kann, dann nehmt doch einfach zur Kenntnis, wie und was mir passiert ist.
    Am 16.05.2022 hatten wir wieder – wie bereits Juni 2021 – eine Überschwemmung, Keller und Tiefgarage wurden überflutet, der Kindergarten, gerade wieder hergestellt, wurde ebenfalls wieder zerstört.
    Der Sachverhalt ist bekannt. Ich wurde von Hausbewohnern alarmiert, mein in der Tiefgarage geparktes Auto schnell dort wegzuholen, die Tiefgarage sei schon wieder voll gelaufen.
    Sofort habe ich mein Auto aus den Fluten gerettet und versucht ordnungsgemäß abzustellen, was mir aber trotz intensiver Suche nicht gelang.
    Ich habe mein Fahrzeug auf einem Stück Wiese neben einer Parkfläche ordnungswidrig geparkt. Als ich wieder zurück in meine Wohnung wollte, stand das Hochwasser circa 40 cm vor der Haustür, sodass ich diese nicht öffnen konnte.
    Durch ein kleines Nebenfenster betrat eine junge Mitbewohnerin des Hauses Nr. 21 das Haus. In der Annahme, das kann ich auch, kletterte ich auch durch das Fenster und sprang auf die Treppe, rutschte aber auf der nassen und glitschigen Treppe aus, brach mir auf der Treppenkante die Wirbelsäule/Steißbein und fiel die restlichen 7 Stufen bis ich im Wasser zu
    liegen kam. Hausbewohner brachten mich dann in meine Wohnung. Der Rettungsdienst der Feuerwehr wollte mich ins Krankenhaus bringen, was
    ich aber wegen der 84 Treppenstufen ohne Aufzug ablehnte.
    Am 17.05.2022 um 08.10 Uhr wurde eine Verwarnung an meinem Auto angebracht. Um 08.35 Uhr nahm ich mein Fahrzeug wieder in Betrieb, mithin
    habe ich ganze 25 Minuten ordnungswidrig geparkt.
    Mit der Verwarnung bin ich dann zum Ordnungsamt gegangen, um die Sache zu klären. Die Dame vom Ordnungsamt zeigte Verständnis für meine Situation und bat mich, ihr den Sachverhalt per E-Mail zuzusenden, was ich umgehend tat. Insbesondere wies ich darauf hin, dass ich aufgrund meiner Verletzung mein Fahrzeug nicht wie beabsichtigt, noch in der Nacht habe umsetzten können.
    18.05.2022-Zusendung des Sachverhaltes an Frau N. vom Ordnungsamt Hürth;
    19.05.2022-trotz meiner Begründungen wurde mir eine Verwarnung in Höhe von 55,-Euro zugesandt;
    21.05.2022 Meine ausführliche Stellungnahme zum Anhörungsbogen;
    23.05.2022 Frau N. bestätigt den Erhalt meiner Einlassung. Frau N.: „Bitte lassen sie mir eine Kopie des Arztberichtes bis zum 30.05.2022 zukommen, dann werde ich die Verwarnung erneut prüfen.“ Das Ergebnis dieser erneuten Überprüfung wurde mir erst am 15.09.2022 – also mehr als 3 Monate später zugesandt;
    24.05.2022 -Arztbericht des Dr. Wallraff persönlich beim Ordnungsamt abgegeben. Der Arztbericht reicht nicht für eine Einstellung, nach Einschätzung des Ordnungsamtes. Ich werde quasi als Simulant angesehen. Hätte mir wohl erst das Genick brechen müssen!
    Im Kölner Stadt-Anzeiger erscheint der Bericht über 33 erteilte Verwarnungen am Katastrophentag und meiner persönlichen Notlage;
    09.06.2022- Neuer Bußgeldbescheid über 83,50 Euro;
    11.06.2022 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt;
    18.08.2022-Mahnbescheid über nunmehr 89,50 Euro, bei Nichtbezahlung
    Androhung von Erzwingungshaft bis zu 6 Wochen;
    20.08.2022-Brief an den Bürgermeister Dirk Breuer mit der Bitte um Hilfe;
    29.08.2022-Bürgermeister bestätigt den Empfang meines Schreibens;
    12.09.2022-Antwortschreiben des Bürgermeisters. „Wegen der abweichenden
    Einschätzung des Ordnungsamtes wird der Vorgang über die Staatsanwaltschaft Köln zur Beurteilung an das AG Brühl übergeben.“;
    15.09.2022- Mein Antwortschreiben an den Bürgermeister, er möge mir doch bitte die Gründe der abweichenden Einschätzung des Ordnungsamtes mitteilen, damit ich dazu Stellung nehmen kann Diese wurden mir nicht mitgeteilt.
    15.09.2022- Frau N. teilte mir nach mehr als 3 Monaten das Ergebnis ihrer erneuten Einschätzung vom 11.06.2022 mit. Demnach sei der Bescheid zu Recht ergangen. „Hiermit gebe ich den Vorgang zur Entscheidung über die StA Köln an das AG Brühl ab.“;
    20.09.2022- Pfändungsankündigung der Stadt Hürth über 112,-Euro, obwohl der Vorgang bereits am 15.09.2022 an das AG Brühl zur Entscheidung
    abgegeben wurde und noch keine Entscheidung erfolgte;
    23.09.2022-Rücksprache mit Herrn Brei, Finanzverwaltung als Vollstreckungsbehörde der Stadt Hürth. Auf dem Flur des Ordnungsamtes habe ich die in meiner Sache fedeführende Frau N. angesprochen und gefragt, was denn die eigentlichen Gründe für die Einstellungsverweigerung seien.: Frau N.: „Die ganze Sache ist von Anfang an schief gelaufen. Sie (damit war ich gemeint) haben den falschen Weg gewählt, indem sie die Presse informiert haben. Das hat man ihnen da oben Sehr übel genommen.
    Auf meine Frage, wer das Ganze autorisiert habe, gab sie an, das kam auch von ganz oben.
    Auf meine Frage, wer denn die da oben seien, gab sie an. „Na der Bürgermeister natürlich.“
    26.09.2022- Ich wurde umfassend darüber informiert, dass bei Zahlungsverweigerung weitere kostenpflichtige Maßnahmen eingeleitet werden müssen bzw. können (Stilllegung des Fahrzeuges, Gehaltspfändung). Aufgrund dessen habe ich bezahlt, obwohl ich davon überzeugt bin, dass diese
    Pfändung unrechtmäßig ist, denn wenn das AG Brühl seine Entscheidung trifft, kann es zu einer verfassungsmäßig unzulässigen Doppelbestrafung führen.
    Übrigens, auf meine Schreiben vom 15.09.2022 und 30.09.2022 hat der Bürgermeister nicht geantwortet. Hat vermutlich keine Zeit für seine Bürger, ist viel lieber bei der Steuben Parade in New York.
    So, und nun überprüfen sie mal, ob so etwas ihnen auch passieren könnte.

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