„Stell‘ Dir vor…“ – Gedanken über Visionäre

„Stell‘ Dir vor…“ – Gedanken über Visionäre

Von Jürgen Streich

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Den nachfolgenden Text habe ich im Jahr 2013 für die vom Autorenkreis Rhein-Erft

herausgegebene Anthologie „Reine Glaubenssachen“ geschrieben.

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„Stell´ Dir vor…

…heißt es in dem 1971 von John Lennon veröffentlichten Song Imagine, es gäbe kein Paradies und keinen Teufel, keine Religion und keine Staaten, für die man tötet oder stirbt, keine Besitztümer, nach denen die einen gieren, weshalb die anderen hungern. „Stell´ Dir vor“, die Menschen und Völker lebten friedlich zusammen – „dann magst Du sagen, ich sei ein Träumer. Aber ich bin nicht der einzige. Ich hoffe, dass Du eines Tages zu uns gehören wirst. Und die Welt ein Ganzes wird.“ Imagine wurde zu einer Hymne der Friedens- und Umweltbewegung der siebziger und frühen achtziger Jahre.

Würde man im Jahr 2013 eine Umfrage zum Begriff „Imagine“ machen, würden viele wohl an „Digital Imaging“ denken – bildgebende Verfahren in der elektronischen Datenverarbeitung, nach denen auch das Computerprogramm Imaging benannt ist. Mögen manchen Zeitgenossen die Zukunftswünsche des 1981 ermordeten Ex-Beatles John Lennon inzwischen auch etwas schmalzig vorkommen, so können heute auch umweltbewusste und friedliebende Realisten nicht übersehen, dass ihnen in mancher Hinsicht die Vorstellungskraft abhanden gekommen ist. Es fehlt an Visionen.

Schon vor einiger Zeit beklagte der Autor des 1968 von Stanley Kubrick verfilmten Kult-Science Fiction 2001 – Die Odyssee im Weltall, Arthur Clarke: „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.“ Doch verhält man sich nicht unwissenschaftlich, wenn man von ihr in der Vergangenheitsform spricht? Ist man dann nicht erst recht ein Träumer?

Im Gegenteil, Clarke bringt die Hauptsache auf den Punkt: Die Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet. Deshalb verändert sie sich fortlaufend. Blaupausen dafür, wie sie aussehen könnte, sind zunächst einmal nützlich. Das gilt für positive Utopien wie für abschreckende Szenarien gleichermaßen. Und natürlich erst recht für Zukunftsprognosen, die durch die Hochrechnung realer Daten zustande gekommen sind.

Wie ernst Warnungen zu nehmen sind, beweist das kuriose Beispiel eines Buches, das, obwohl es im Gegensatz zum Namen seines Autors vergleichsweise unbekannt ist, die Geschichte seit Ende des Zweiten Weltkrieges und damit auch weite Teile der Zukunft tiefgreifend beeinflusst hat: Befreite Welt von H. G. Wells. Angeregt durch die von Ernest Rutherford und Frederick Soddy 1903 aufgestellte Atomzerfalls-Hypothese hatte Wells in dem zehn Jahre später erschienenen Roman vorausgesehen, dass mit „Atombomben“ (das Wort taucht hier 1913 erstmalig auf) ganze Städte und Landstriche verwüstet werden können.

Der aufgrund seiner jüdischen Abstammung vor den Nazis aus Ungarn in die USA geflohene Physiker Leo Szilard verehrte Wells und sein schriftstellerisches Werk. Motiviert durch die seiner Meinung nach schlüssigen Gedanken in Befreite Welt unternahm er am 3. März 1939 einen Versuch, dessen Ergebnis ihn sicher machte, dass nukleare Waffen nicht nur Hirngespinste, sondern machbar waren. Der Wissenschaftler kämpfte aus Angst vor den Nazis fortan für die Entwicklung solcher Waffen und bewog Albert Einstein zur Unterschrift unter den berühmten Brief, in dem US-Präsident Franklin D. Roosevelt die Entwicklung der ersten Atombomben dringend empfohlen wurde.

Das Ergebnis ist bekannt: Hunderttausende Tote bei den Atomangriffen auf Hiroshima und Nagasaki, durch fast 2.000 weitere Kernwaffentests weltweit verstrahlte Menschen, Tiere, Pflanzen und Landschaften, nukleares Wettrüsten und Konflikte, die nicht nur während der Kuba-Krise beinahe zum Dritten Weltkrieg geführt hätten. H. G. Wells hatte zu Recht vor diesen Entwicklungen gewarnt.

Doch das Buch heißt nicht umsonst Befreite Welt. Der völlige Untergang der Menschheit wird in dem Roman dadurch verhindert, dass einige Herrscher angesichts der Apokalypse bereit sind, Teile ihrer Macht an ein Gremium, das sich nur um die Interessen des Ganzen kümmert, abzugeben. So überlebt die Menschheit in Wells´ düsterem Roman letztlich doch.

Besonders in seinem Spätwerk vertrat der Autor nachdrücklich die Idee eines demokratischen „Weltdirektoriats“. Während der eine Teil des Buches – die Warnung – bald in schreckliche Wirklichkeit umgesetzt wurde, harrt der andere – die dringende Empfehlung – auch im Zeitalter der Vereinten Nationen immer noch ihrer Umsetzung. Dabei hat Wells mit Die offene Verschwörung sogar den Aufruf an sämtliche gesellschaftlichen Gruppierungen, ihre Kräfte im übergeordneten Interesse übernational zu bündeln, nachgelegt. Doch auch dieses Buch hat nicht annähernd den Bekanntheitsgrad seiner utopischen Romane Die Zeitmaschine und Der Krieg der Welten erreicht.

Leo Szilard hielt Atombomben nach dem Untergang des Nazi-Regimes für überflüssig und versuchte fortan mit aller Macht, ihren Einsatz zu verhindern. Doch es war längst eine unkontrollierte politische Kettenreaktion in Gang gekommen. Mit Die Stimme der Delphine, erschienen 1961, und anderen Science Fiction-Kurzgeschichten veröffentlichte er politisch-philosophische Visionen.

So wie sein Vorbild H. G. Wells. Die Parallelen zwischen dessen Roman Menschen Göttern gleich und Thomas Morus´ Utopia dürften kaum zufällig sein. Wells selbst wird von einem grundsätzlich mehr technisch orientiertem „Hellseher“ beeinflusst gewesen sein: Jules Verne ließ in Die Erfindung des Verderbens einen Geisteskranken eine atombombenähnliche Waffe erfinden, die bezeichnenderweise eine kriminelle Vereinigung gegen eine internationale Flotte einsetzen will, sich dabei aber selbst vernichtet.

Jules Verne habe „die weißen Flecken auf der Landkarte der wissenschaftlichen Erdkunde sorgfältig inventarisiert“, schrieb Michel Butor über den Schriftsteller, „und sie mit fabelhaften Geschichten, die in der Verlängerungslinie bekannter Tatsachen liegen, ausgefüllt.“ Geradezu fabelhaft erschiene es, würde folgender von Verne 1874 in Die geheimnisvolle Insel veröffentlichter Gedanke heute, wo dies möglich ist, in die Tat umgesetzt: „Eines Tages werden Dampfer und Lokomotiven keine Kohlebunker mehr führen, sondern Gastanks, aus denen komprimierte Gase durch Rohre in die Heizkessel strömen. Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.“ Vernes Protagonist erklärt in dem Buch auch, wodurch das seiner Meinung nach möglich wird: Durch „Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. (…) Wasserstoff und Sauerstoff werden auf unabsehbare Zeiten hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ – Eine Aussage, die nicht besser aus dem Mund des Gründers und Vorsitzenden der Organisation Eurosolar, Hermann Scheer, der 1999 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden und 2010 überraschend gestorben ist, hätte stammen können.

Utopische Literatur hat also nicht nur auf direktem Wege den weiteren Verlauf der Geschichte beeinflusst, sondern auch indirekt – indem sie Ideen in die Welt setzte, mögliche Ziele definierte. Letzteres trifft zwar auch auf das Kommunistische Manifest und gar Hitlers Mein Kampf zu. Doch waren beide, so unterschiedlich sie unter humanistischen Aspekten auch zu beurteilen sind, Kampfschriften, verfasst mit starrem Blick auf die Durchsetzung von Ideologien. Utopisten indessen – ob sie nun, wie Thomas Morus, gesellschaftliche Schwerpunkte setzten, technische wie zunächst Jules Verne und später auf ganz andere Weise Aldous Huxley, politische wie H.G. Wells oder philosphische wie Arthur Clarke –, sie hatten die gesamte Menschheit, den ganzen Planeten im Blick. Und zwar nicht als Beute, sondern eher im Sinne eines zu erhaltenden oder zu schaffenden Biotops.

Im Gegensatz zu den Ideologen schrieben die Utopisten keine Manifeste für Machtmenschen, sondern abschreckende oder wünschenswerte Szenarien für alle. Huxleys Schöne neue Welt, 1932 erschienen und laut Brockhaus aufgrund des darin enthaltenen Scharfsinns ein „Modell der modernen negativen Utopie“, ist vor dem Hintergrund der gentechnischen Durchbrüche ein hochaktuelles Beispiel für den Missbrauch wissenschaftlich-technischer Möglichkeiten und politischer Macht. Dasselbe gilt für George Orwells 1948 erschienene Warnung vor dem Überwachungsstaat mit dem Titel 1984.

Wenn man anno 2013 wieder mehr ökologische, friedens- und sozialpolitische Visionen einfordert, darf dabei nicht übersehen werden, dass es ein Unterschied ist, ob man wirkliche Zustände und reale Abläufe weiterdenkt, um vor Fehlentwicklungen zu warnen, oder Zukunftsentwürfe schafft, denen diese Entwicklungen ja meist entgegenstehen. Der Bekanntheitsgrad von Utopia überdeckt nämlich die Tatsache, dass ansonsten nur sehr wenige Positiv-Visionen publiziert worden sind.

Eine davon erschien 1976 unter dem Titel The Next 200 Years. Diese war von multinationalen Konzernen finanziert und Herman Kahn vom New Yorker Hudson-Institute verfasst worden. Kahn und seine Mitarbeiter prognostizierten darin, dass es zu einer reichen Weltgesellschaft kommen werde, für die die „Produktion der lebenswichtigen Güter aufgrund des technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts eine trivial leichte Aufgabe geworden sein wird.“ Das war natürlich ein Persilschein für jegliches „Weiter so!“ Eine unseriöse Argumentation, mit der beinahe alles verharmlost und zur segensreichen Entwicklung erklärt werden kann.

Kahns Prognose war wohl einer der Versuche, mit der Taktik des Gegen-den-Strich-Bürstens erfolgreich zu sein. Ansonsten hatten damals nämlich Warnungen Konjunktur. Immerhin 14 Jahre war es her, dass folgende Zeilen erschienen waren: „Es herrschte eine ungewöhnliche Stille. Die wenigen Vögel waren dem Tode nah; sie zitterten heftig und konnten nicht mehr fliegen. Auf den Farmen brüteten Hennen, aber keine Küken schlüpften aus. Die Apfelbäume entfalteten ihre Blüten, aber keine Bienen summten zwischen ihnen umher. Die Landstraßen waren von braun und welk gewordenen Pflanzen eingesäumt, als wäre ein Feuer über sie hinweggegangen. Selbst in den Flüssen regte sich kein Leben mehr.“

Ein düsterer Science Fiction-Roman? Von wegen. „Kein böser Zauber, kein feindlicher Überfall hatte in dieser verwüsteten Welt die Wiedergeburt neuen Lebens im Keim erstickt. Das hatten die Menschen selbst getan“, erläuterte die Autorin Rachel Carson und gab zu bedenken, dass jede der von ihr in ihrem Buch Der stumme Frühling beschriebenen Ökokatastrophen irgendwo auf der Welt schon geschehen sei. Ihr Buch wurde oft als das erste Umweltbuch schlechthin bezeichnet. Es wirkt auch rückblickend teils prophetisch.

Der stumme Frühling war 1962 kurz vor der Kuba-Krise erschienen. Dennoch galten Umweltschützer und Friedensbewegte in den sechziger Jahren als  zumeist langhaarige und abgedrehte Exoten. Die Keimzelle dafür, dass sich das nachhaltig ändern sollte, entstand im April 1968, als die Welt sich in der Folge des Prager Frühlings mal wieder auf den Abgrund zubewegte, in Italien: Der Industrielle Aurelio Peccei hatte gemeinsam mit dem schottischen Wissenschaftsfunktionär Alexander King weitere 34 Intellektuelle zu einem Treffen eingeladen. Ihr Vorhaben, ein tieferes Verständnis für die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Problemen politischer, kultureller, wirtschaftlicher und ökologischer Art zu wecken, endete zunächst zwar in einem Fiasko. Doch eine kleine Gruppe Durchhaltewilliger machte weiter. Mit Blick auf den Ort ihres ersten Treffens nannte sie sich fortan Club of Rome.

Vier Jahre später gab dieser Denkerzirkel das erste Computer-Weltmodell heraus: Die Grenzen des Wachstums, finanziert von der Volkswagen-Stiftung und realisiert von einem Team um Professor Dennis Meadows vom Massachusetts Institute of Technologie. Mitte des 21. Jahrhunderts werde es ausgehend von unterschiedlichen Grundannahmen zu katastrophalen Zuständen kommen, hieß es in der Studie, wenn die Menschheit sich nicht vom materialistischen Wachstumsdenken verabschiede: „Mit Sicherheit besäßen die überlebenden Reste der Menschheit nicht mehr sehr viel, um eine neue Form der Gesellschaft, die noch unseren Vorstellungen zugänglich ist, aufzubauen.“ Das Buch wurde ein Weltbestseller und Ökoklassiker.

Fortan brauchte niemand in der Umweltbewegung sich mehr unwidersprochen sagen zu lassen, er sei ein Träumer. Eine Organisation angesehener älterer Herren, die sich Gedanken über die von ihnen so bezeichnete Weltproblematik machten und nach Ansätzen für eine Weltlösungsstrategie suchten, hatte der Protestbewegung eine wissenschaftlich seriöse Grundlage gegeben. Viele Jahre später bezeichnete Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Club of Rome als „Gewissen der Menschheit“.

Dennoch wurde es still um den Club. Ein Erfolg wie der mit den Grenzen des Wachstums ließe sich kaum wiederholen, hieß es. Die bessere Erklärung aber lieferte ein späterer Club-Präsident, der Spanier Ricardo Diez-Hochleitner: „Man muss die Vaterschaft von Ideen verschenken können.“ Gemeint in dem Sinne, dass man Zielen auch dadurch näherkommt, dass einmal gefasste Gedanken von anderen fortentwickelt werden. Ob dabei deren Urheber genannt werden, ist nachrangig.

Ungeachtet dessen stand der Club of Rome ideell Pate, als in den späten siebziger Jahren Global 2000 – Der Bericht an den Präsidenten entstand. US-Regierungschef Jimmy Carter hatte eine Studie darüber in Auftrag gegeben, wie die Welt im Jahr 2000 aussehen würde, wenn alles so weiter liefe, wie um 1980. Die an dem Report beteiligten Wissenschaftler behielten im wesentlichen Recht. Ungeachtet dessen interessierten die Verantwortlichen im Weißen Haus sich während der Präsidentschaften mehrer von Carters Nachfolgern weder für die Global 2000-Prognosen, noch für die in privater Initiative der Mitarbeiter des Projektes entstandenen Handlungsempfehlungen, die unter dem Titel Zeit zu handeln erschienen.

Zur gleichen Zeit veröffentlichte die mit oft nur kopierten Friedens-Songs weltberühmt gewordene Sängerin Joan Baez die Langspielplatte Children of the Eighties und übersah dabei, dass ihre „Kinder“ Erwachsene waren, die mit den Idealen der siebziger Jahre wenig im Sinn hatten. Renaissance der Spießer nannte der Autor Jürgen Stark daher treffend sein Buch über die Achtziger.

Doch mitten in dieser Dekade geriet östlich des Eisernen Vorhangs ein Mann an die Macht, der Visionen hatte: Michail Gorbatschow – Ehrenmitglied des Club of Rome übrigens – wollte die Atomtests beenden und tat dies auf seiner Seite. Mehr noch, er machte 1986 den Vorschlag, die Welt bis zum Jahr 2000 von Atomwaffen zu befreien. „Diese große Chance ist in höhnischer Weise verspielt worden“, sagte knapp zehn Jahre später Hermann Scheer, zu Zeiten von Gorbatschows Vorschlag abrüstungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Den Alternativen Nobelpreis erhielt er für sein nachdrückliches Eintreten für eine Energieversorgung aus regenerativen Quellen. Hermann Scheer war Visionär und Realisator in Personalunion. Das überfordert manchmal die Kräfte eines einzelnen Politikers, setzt aber Maßstäbe.

Daran versucht hat sich auch der frühere US-Vizeprsident Al Gore, der 1992 in seinem Buch Wege zum Gleichgewicht „einen Marschallplan für die Erde“ forderte und bekannte: „Jedesmal, wenn ich innehalte, um darüber nachzudenken, ob ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt habe, betrachte ich die neuen Fakten, die aus der ganzen Welt auf mich eindringen und komme zu dem Schluss, dass ich nicht annähernd weit genug gegangen bin.“

Gore wollte weit gehen und selbst ins Oval Office des Weißen Hauses einziehen, doch obwohl er die Wahl rechnerisch gewonnen hatte, blieb ihm das Amt des US-Präsidenten aufgrund unglaublicher Tricksereien der Gegenseite verwehrt, was den USA und der Welt zwei unrühmliche Amtsperioden von George W. Bush bescherte. Gleichwohl wurde Al Gore später für seine Aufklärungskampagne, zu der ein Film mit dem Titel Eine unbequeme Wahrheit gehörte, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Doch bei dem Versuch, Visionen auf direktem Wege in Politikform zu gießen, war er einstweilen an mächtigen neokonservativen Kräften gescheitert.

Das drohte in seiner ersten Legislaturperiode immer wieder auch dem aktuellen US-Präsidenten Barack Obama. Auch er nannte eine atomwaffenfreie Welt als Ziel, versprach, das letztlich illegale Gefangenenlager Guantanamo zu schließen und den Afghanistankrieg zügig zu beenden. Zeitweilig war von all dem nicht mehr die Rede, republikanische Mehrheiten und die in solchen Fällen immer wieder bemühten Sachzwänge erstickten manches schon im Keim. Es ist ein Unterschied, Visionen zu haben, oder sie in die Tat umzusetzen. Politik zu kritisieren, oder sie zu machen.

Das gilt natürlich auch hierzulande und für Europa. Oft wird den amtierenden Politikern vorgeworfen, ihnen fehlten Visionen, sie verwalteten nur noch das Bestehende. So wollten die Bundesregierung und die ihr hörigen Volksvertreter die Laufzeiten von Atomkraftwerken ohne Not verlängern und mithin die Gewinne der Energieversorgungsunternehmen steigern, obwohl sich die Stromgewinnung aus Kernenergie längst als ein Irrweg der Menschheit erwiesen hatte. Kurz nach dem Verlängerungsbeschluss bewies der Vierfach-Super-GAU im japanischen Fukushima, dass Naturgesetze nicht von Regierungen und Parlamenten verändert werden können. Auch dann nicht, wenn die Industrienationen viele Jahrzehnte lang dem gefährlichen Götzen Kernenergie gehuldigt und diesem Unsummen geopfert hatten. – Derzeit sind die Bankhäuser die Tempel, die als „systemrelevant“ von der Politik geschützt werden, obwohl dafür das Volk ausgenommen wird.

An irgendetwas – insbesondere die Religionsgeschichte zeigt es – wollen die Menschen glauben. Gerne auch an Politiker, die es im Namen des Volkes schon richten werden. Wenn diese aber nur im Hier und Jetzt und teils rückwärtsgewandt herumwurschteln, verspielen sie wesentliche Zukunftschancen. Doch ohne Visionen, positive Ziele, braucht niemand anzutreten, um Verantwortung für die Allgemeinheit zu übernehmen. Bloße Verwalter des Bestehenden haben wir schon viel zu viele. Dabei muss die Politik vielmehr die Kunst sein, Notwendiges zu realisieren. Und „die Wahrheit wird“, das betonte Science Fiction-Autor Arthur Clarke, „weit erstaunlicher“ sein als jeder Roman. – Stell´ Dir vor…

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