AfD-Spitzenkandidat für Europawahl: Politsatire von rechtsaußen

AfD-Spitzenkandidat für Europawahl: Politsatire von rechtsaußen

„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“

Von Stefan Hanft

Freitagabend. Ich sitze alleine auf der Couch. Die Neue Rechte ist auf dem Vormarsch. Die Altparteien zittern. Die Medien kommen den neusten (Miss-)Erfolgsmeldungen der Parteien in den Wahlumfragen kaum hinterher. Der öffentlich-rechtliche TV-Sender Phönix quält sein Zuschauer mit einer Dauerübertragung des AfD-Parteitags. Und die Partei? Sie wählt Dr. Maximilian Eugen Krah zu ihrem Spitzenkandidaten für die kommenden Europawahlen 2024 und schafft es tatsächlich, mir noch ein müdes Lächeln abzuringen.

Wer den 2019 zum Europaabgeordneten gewählten Krah kennt, der weiß, dass von dem AfD-Mann einiges an Dummheit und Desinformation zu erwarten ist. Doch mit seiner Rede am Nominierungsparteitag (28. Juni 2023) bewies Krah darüber hinaus auch seine außerordentliche Fähigkeit zur wirren Vermengung von Europa- und Sozialpolitik mit der eigenen faschistoiden Gedankenwelt. Würde man den bedrohlich-ernsten Kontext ausklammern, so könnte man das Endprodukt seiner Rede gar für Satire halten.

Denn nachdem Krah zunächst seine internen Parteigegner abwatschte, widmete er sich einem Thema, dass dem gelernten Juristen ganz besonders am Herzen liegt: der Armut. Er wisse, was Armut ist, so Krah, schließlich habe er als Kind ab und zu Zeit in der Ganztagsbetreuung einer Sonderschule verbracht, an der seine Mutter als Lehrerin beschäftigt war. Mit dieser einleitenden Darstellung seiner Fachexpertise kommt Krah auf das sozialpolitische Europaprogramm seiner Partei zu sprechen:

„Und wir sind die Partei, die denen, die arbeiten wollen, die hart arbeiten, die darum betrogen werden, weil man von ihrem Brutto alles ausgibt für Klima, für Gender, für Einwanderung und für Krieg, denen ihre Würde zurückgeben, ihr Netto zurückgeben, und ihnen zurufen: Ihr seid nicht vergessen! Es gibt keine vergessenen Männer und Frauen für die AfD, wir stehen zusammen, denn wir sind ein Volk.“

Es wäre keine Rede von Krah, wenn sie nicht noch eine haargenaue Definition beinhalten würde, wer denn zu diesem Volk gehört. Man müsse nur danach fragen, welche Märchen und Lieder einem in der Kindheit begleitet haben oder alte Fotos betrachten. Denn: „Uns wurden dieselben Märchen vorgelesen und dieselben Lieder vorgesungen. (…) Wenn wir uns unsere Familienalben zeigen, dann erkennen wir, dass schon unsere Großväter und unsere Urgroßväter ein Volk sind.“

Ich begriff schnell, dass Krah meine Leidenschaft für die tschechische Schriftstellerin und Märchensammlerin Božena Němcová wohl nicht teilt. Doch ob der Oberlausitzer allein durch einen Blick in mein Familienalbum eine Entscheidung über meine Zugehörigkeit zum deutschen Volk treffen könnte? Ich wäre jedenfalls schwer beeindruckt!

Wie es auch sei, mit seinen abschließenden genialen Ausführungen zur Sozialpolitik hatte mich der Redner wieder eingefangen. Armut in Deutschland zu bekämpfen schien noch nie so einfach. Blitzgescheit verlautbarte Krah, dass man nur an der richtigen Stelle ansetzen müsse. Das Herz „unserer sozial Schwachen“ würde nämlich „tanzen, wenn es Deutsche Märchen und Deutsche Lieder wären, die man ihnen vorträgt.“

Der Wähler darf sich bis zu den Europawahlen im Juni 2024 auf viele weitere geistreiche Ausführungen von Rechtsaußen freuen. Mit Märchen und Liedern die Armut zu bekämpfen ist zwar sozialpolitischer Unsinn, aber zur Volksbelustigung bestens geeignet.


Stefan Hanft

Der Autor

Stefan Hanft, geb. 1994 in München. Studium der Politikwissenschaften und Geschichte an der Ludwig Maximilians-Universität München, der Universität Augsburg und der Emory University Atlanta. Seit 2022 geschäftsführender Diözesansekretär im Diözesanverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Augsburg.

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