Nosferatuspinne ist längst in Deutschland heimisch
Jungtier im Wohnzimmer gefangen und ausgesetzt
Nachdem ich an einem Tag Ende September 2022 auf dem Fußboden in der Nähe der Terrassentür mit einem Insektenfänger eine mit Beinspannweite etwa fingernagelgroße Spinne eingefangen hatte, hegte ich gleich einen Verdacht. Dieser verstärkte sich beim Betrachten mit einer Lupe. Zwar war die Lichtsituation nicht gerade gut und ich hatte auch kein Fotoequipement für derartige Nahaufnahmen zur Verfügung, fotografierte das kleine Tier aber mit der Handykamera. Ich schickte die Bilder an den Arachnologen Dr. Stephan Loksa, der mich schon öfter, wenn ich als Umweltjournalist Fragen zu unterschiedlichen Achtbeinern hatte, kompetent beraten hatte. Obwohl es schon spät am Abend war, antwortete er postwendend: Ja, ich hatte eine junge Nosferatuspinne geschnappt.
Diese aus dem Mittelmeerraum stammende Spinnenart sorgte aufgrund zahlreicher Sichtungen in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen, sogar den nördlichen Regionen Deutschlands, den Sommer 2022 über für Schlagzeilen. Von deren Einwanderung aufgrund der Klimaveränderung war in den Artikeln die Rede und immer wieder wurde betont, dass die Nosferatuspinne giftig ist. Doch diese Informationen sind so unvollständig, arg verkürzt.
Die Spinne mit dem wissenschaftlichen Namen Zoropsis spinimana, die aufgrund ihrer markanten Zeichnung Nosferatuspinne genannt wird, dürfte schon vor längerer Zeit auf verschiedenen Verkehrswegen nach Deutschland eingeschleppt worden sein. Stephan Loksa vermutet, dass das vor zehn oder sogar noch mehr Jahren geschehen ist. Die Klimaerwärmung dürfte dazu beigetragen haben, dass die Art sich hier etablieren konnte. Loksa geht davon aus, dass die Nosferatuspinne, die längst schon hier heimisch war, nur einige Zeit lang nicht bemerkt worden ist. Die ausgeprochen trockenen Sommer 2021 und 2022 aber hätten bei der Trockenheit liebenden Spinne zu einem Vermehrungsschub geführt, sodass sich die Sichtungen in letzter Zeit häuften. Inzwischen sollen es 13.000 Beobachtungen in allen Regionen Deutschlands bis in den Norden Schleswig-Holsteins sein.
Zur Giftigkeit: Es gibt keine ungiftigen Spinnen, allenfalls ungiftige Spinnentiere wie etwa den Weberknecht, der aber keine echte Spinne ist. Es stellt sich allenfalls die Frage, wie stark das Gift beim Menschen wirkt. Die allermeisten in Mitteleuropa heimischen Spinnen sind nicht einmal in der Lage, mit ihren Klauen menschliche Haut zu durchdringen. Einige Arten, zu denen auch die Nosferatuspinne gehört, können das aber. Doch ist deren Biss für den Menschen nicht gefährlicher als ein Wespenstich.
Zwar gehört die Nosferatuspinne zur Großgruppe der Wolfsspinnenartigen, ist aber keine echte Wolfsspinne. Ein optisches Unterscheidungsmerkmal ist die Anordnung der Augen, von denen Spinnen acht besitzen. Während die echten Wolfsspinnen zwei etwas größere und darunter vier kleinere nach vorne gerichtete und zwei weitere seitliche Augen aufweisen, hat die Nosferatuspinne vier in gleich weit voneinander nach vorne und zwei mal zwei seitlich gerichtete Augen.
Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ist, dass Wolfsspinnen, wie die meisten Spinnen, nicht an glatten Flächen wie etwas Badewannen oder Fenstern hochklettern können. Für die Nosferatuspinne stellt das jedoch kein Problem dar. Das hängt mit der Anatomie der „Füße“, also der Beinenden zusammen. Auch hier haben die meisten Spinnenarten Klauen, mit denen sie sich an glatten Flächen nicht festhalten können. Einige Arten wie etwa Springspinnen, aber auch die Nosferatuspinne haben auch an glatten Flächen haftende Beinenden. Was nahezu alle Spinnen gemein haben ist, dass sie sich von Insekten, die ansonsten überhandnehmen würden, ernähren. Lediglich große, tropische Arten erlegen auch größere Tiere wie Jungvögel, Mäuse, kleinere Reptilien etc. Doch solche Achtbeiner kommen in unseren Breiten in der freien Natur nicht vor. Also keine Panik vor Spinnen, die tatsächlich Nützlinge sind. So auch die Nosferatuspinne – trotz ihres erschreckenden Namens.