„Königsdorfer Literaturforum“ erhielt Kulturpreis des Rhein-Erft-Kreises 2022
Gründer und Moderator Jürgen Streich nahm die Auszeichnung vom Landrat entgegen
„Als Dank und Anerkennung für besondere Verdienste um das kulturelle Leben im Rhein-Erft-Kreis wird dem Königsdorfer Literaturforum der Kulturpreis des Rhein-Erft-Kreises 2022 verliehen.“ Das ist der Text der von Landrat Frank Rock (CDU) am 17. Oktober 2022 in Bergheim unterschriebenen Ehrenurkunde, die der Erste Bürger des Rhein-Erft-Kreises sichtlich erfreut persönlich überreichte.
Der Leiter des Kreis-Kulturamtes, Engelbert Schmitz, hatte keine Kosten und Mühen gescheut, der Veranstaltung einen würdigen Rahmen zu verleihen. So prangte über dem roten Teppich, über den die neuen Preisträger, deren Gäste und die Offiziellen das Kerpener „Capitol-Theater“ betraten, in großer Leuchtschrift der Hinweis auf den besonderen Abend.
Das Theater, ursprünglich ein Kino und als solches neben anderen Veranstaltungen auch heute noch genutzt, erwies sich aufgrund seiner großen Bühne und dem ansprechenden Ambiente als hervorragend geeignete Location, in deren Eingangsbereich die Beteiligten und Besucher der Preisübergabe standesgemäß mit Sekt begrüßt wurden.
Zum Auftakt interviewte der professionelle Moderator Olly Hahn Landrat Frank Rock zur kulturellen Situation im Rhein-Erft-Kreis nach annähernd drei von der Corona-Pandemie geprägten Jahren. „Es war für die Kultur eine Riesen-Talfahrt. Jetzt ist ein guter Weg nach oben zu spüren“, antwortete der und merkte weiter an: „Aber es geht aufwärts, obwohl wir einige Künstler wohl auch verloren haben.“
Die aus Kultur-Fachleuten aus Kreisverwaltung und -politik sowie einer Vertreterin der hiesigen Presse zusammengesetzte Jury habe nach langen Beratungen jeweils einstimmig entschieden. Beim „Königsdorfer Literaturforum“, das gleich dreifach vorgeschlagen worden war, ist man sich nach meinen Informationen aus der Jury jedoch schnell einig gewesen. „Wenn wir das jetzt nicht machen, dann bräuchten wir verdammt gute Argumente“, habe ein Jurymitglied gleich zu Beginn gesagt. Insgesamt waren 30 Personen oder Institutionen vorgeschlagen worden.
Da dieses Mal auch die Theater-AG der Offenen Ganztagsschule Kerpen-Türnich und deren Leiterinnen Angela Pape und Suna Özkan dazu gehörten, nahm das Kreis-Kulturamt dies zum Anlass, erstmals einen mit 500 Euro dotierten Talent-Kulturpreis zu vergeben.
Nachdem das aus Jana Marie Gropp (Gesang), Pauline Gropp (Piano) und Sarah Bergé bestehende Crossover-Frauen-Trio „Mesdames Musicales“ eine erste Kostprobe ihres Könnens präsentiert hatte, bgeisterten die Kinder der OGS-Theater-AG mit einem Auszug aus einem von ihnen selbst kreierten Stück das Publikum.
Um sich aufwendige Kostüme zu ersparen, trugen die jungen Schauspieler/innen T-Shirts mit der Aufschrift ihrer jeweiligen Rolle. So gab es den „Bürgermeister“, der mit dem Verfassen einer Rede nicht so recht vorankommt, „Frau Bürgermeister“, die ihn jedoch dazu antreibt, „Influencer“ 1 und 2 sowie die „Security“. Als der „Bürgermeister“ für seine Rede gefeiert wird, sind alle glücklich. Dem jungen Schauspieler begegnete ich später im Eingangsbereich und sagte zu ihm, dass er „später bestimmt mal wirklich Bürgermeister“ würde, was er mit einem langgezogenen „Jaaa!“ bestätigte.
Nach der Auszeichnung der jungen Mimen und ihrer Leiterinnen und einem weiteren Stück von „Mesdames Musicales“ stand die Ehrung der Kunstvereins Brühl an. Die bereits seit 50 Jahren bestehende Gruppierung um die bereits seit zehn Jahren amtierende Vorsitzende Gaby Zimmermann, war von der Brühler Stadtverwaltung vorgeschlagen worden. Abgesehen von Ausstellungen und Präsentationen, bei denen kürzlich auch der Kabarettist Dieter Nuhr mit eigenen Bildern vertreten war, will „Kunst in der Stadt erlebbar machen“. Dazu stellten die Mitglieder des Kunstvereins einmal ausgediente Zigarettenautomaten, an denen die Bürger/innen für wenig Geld kleine Kunstwerke erstehen konnten, in Brühl auf. Die Aktion wurde seinerzeit sehr positiv aufgenommen, die Kunstautomaten waren schnell leer. Die Brühler Vizebürgermeisterin kommentierte die Auszeichnung des Kunstvereins so: „Der Verein ist immer präsent. Und der Diskurs über Kunst fördert auch die Demokratie.“ Tatsächlich besuchte ich Anfang der achtziger Jahre als damaliger Mitarbeiter des „Kölner Stadt-Anzeigers“ so manche Ausstellung des Brühler Kunstvereins und habe die Veranstaltungen in guter Erinnerung.
Nach einem weiteren Song von „Mesdames Musicales“ wurde ich vom Moderator auf die Bühne gebeten, um als Initiator, Organisator und Moderator des „Königsdorfer Literaturforums“ die Auszeichnung der Lesungs- und Diskussionsreihe entgegenzunehmen. Derzeit etwas fußkrank schaffte ich es mit entsprechender Unterstützung und einer Krücke die Treppe hinauf, wo bereits ein gemütlicher Lehnstuhl für mich bereitstand.
Während an der Leinwand eine von mir zusammengestellte Diaschau mit 16 Preisträgern ablief, befragte Moderator Olly Hahn mich zunächst nach der Entstehung des „Literaturforums“ vor nunmehr 18 Jahren.
Ich berichtete ihm und dem Publikum daraufhin, wie ich anno 2004, nachdem Elisabeth und ich nach Königsdorf gezogen waren, die vereinzelten Buchvorstellungen, die ich zuvor im Frechener „Haus am Bahndamm“ veranstaltet hatte, am für mich neuen alten Wohnort in loser Folge fortsetzen wollte und dafür nach einem geeigneten Raum suchte. Das evangelische Gemeindehaus hatte bei mir von einem Vortrag her, den ich 1996 über meine Reise für die ARD in die „Verbotene Zone“ um den havarierten Atomreaktor von Tschernobyl gehalten hatte, einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Daher sprach ich die damalige Pfarrerin Monika Weinmann darauf an. Sie erklärte sich spontan zu einem Versuch bereit.
Da ich dafür mein früheres großes Vorbild und 2004 längst gut befreundeten Kollegen, den Enthüllungsautoren Günter Wallraff, als Referenten eingeladen hatte, war es eigentlich gar kein Versuch, denn der Erfolg war ziemlich sicher garantiert. Wie stark der Andrang aber wurde – die Helfer kamen mit dem Herbeischaffen weiterer Stühle aus der benachbarten Kirche kaum hinterher – hatten wir aber nicht vorausgesehen. Manche Besucher, die keinen Sitzplatz mehr ergattert hatten, wollten sich die Veranstaltung dennoch nicht entgehen lassen und begnügten sich mit Stehplätzen.
Kurze Zeit nach dem motivierenden „Versuch“ kam die Pfarrerin Monika Weinmann zu mir und fragte mich, ob es möglich sei, weitere Autoren einzuladen und daraus eine Lesungs- und Dikussionsreihe zu machen. Nach kurzem Nachdenken darüber, welche passenden Autorinnen und Autoren ich denn so gut kannte, dass sie sich bereit erklärten, honorarfrei aufzutreten und mir dazu einige einfielen, sagte ich der Pfarrerin zu. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch den Namen „Königsdorfer Literaturforum“ kreiert. Da Monika Weinmann bei der Preisverleihung anwesend war, ich sie von der Bühne aus bei dem Scheinwerferlicht aber nicht erkennen konnte, rief ich ins Publikum: „Das haben wir verdammt gut gemacht, Monika!“ und bedankte mich noch einmal dafür. Sie und ihre Frau Jasmina sind Elisabeth und mir längst sehr gute Freundinnen geworden.
Nach diesen Ausführungen war die Retrospektive aber noch nicht zuende. Olly Hahn bat mich, drei besondere „Literaturforen“ zu nennen. Es wurden dann vier. Da mit Günter Wallraff alles begonnen hatte und er 2014 auch zum Zehn-Jahres-Jubiläum wieder gekommen war – dieses Mal mussten wir angesichts der 250 Besucher in die Kirche ausweichen, sodass Günter und ich an einer Art Altar unter einem großen schwarzen Kreuz saßen -, nannte ich ihn zuerst. Die Journalistin und Ex-Duma-Abgeordnete Alla Yaroshinskaja hob ich aufgrund unseres gemeinsamen Interesses an der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hervor. Ebenso den unvergesslichen Abend mit dem Dirigenten Eckart Wycik, an dem er auf Basis seines Buches die freimaurerischen Aspekte in Mozarts „Zauberflöte“ erörterte und dazu auch Passagen am Flügel spielte. Und last not least hob ich den inzwischen verstorbenen türkischen Autoren Dogan Akhanli hervor, weil er einen Monat vor unserer Veranstaltung noch in Spanien in Arrest saß, da Interpol ihn als Dissidenten im missbräuchlichen Auftrag des Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, verhaftet hatte und das „Literaturforum“ mit ihm das bisher einzige war, für das ich Polizeischutz organisiert hatte.
Auch nach einem kleinen Ausblick in die Zukunft fragte Moderator Olly Hahn. Ich avisierte einen literarischen Abend u. a. mit meiner Autorenkreis-Kollegin Patricia Falkenburg zum Ukraine-Krieg, die Neuansetzung eines Termines mit dem Ex-Präsidenten und jetzigen Ehrenpräsidenten des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker und den Astronomie-Professor Heino Falcke, mit dem ich einst gemeinsam den Frechener Jusos angehörte und der unter hohem Aufwand das sensationelle erste Foto eines Schwarzen Loches realisiert und darüber ein Buch geschrieben hat. Leider hatte ich auf der Bühne Niklas Frank, den Sohn des einstigen Nazi-Gouverneurs von Polen, Hans Frank, der eine sechststellige Zahl toter Juden zu verantworten hat, vergessen. Der einstige „Stern“-Redakteur Niklas Frank hat das tief beeindruckende Buch „Der Vater“ geschrieben und engagiert sich auch heute in fortgeschrittenem Alter noch immer mutig gegen jegliche rechtsradikalen Tendenzen.
Anschließend bat Olly Hahn zwei der Drei, die das „Literaturforum“ für den Kulturpreis vorgeschlagen hatten, die Stammbesucherin Sabine Schorr und Kay Löffler als Vertreter des Autorenkreises Rhein-Erft, auf die Bühne. Sie sollten etwas zu ihren Beweggründen für ihren Vorschlag sagen.
Kay Löffler betonte, dass er das „Literaturforum“ von Beginn an immer wieder besucht habe und er keine derart ausdauernde Lesungsreihe von dieser Qualität kenne. „Und wo hat man das schon, dass man nach dem offiziellen Teil beispielsweise mit Karl Lauterbach ein Bier trinken kann?“, fragte Kay rhetorisch. Die Rechtsanwältin Sabine Schorr schloss sich ihm an und unterstrich ihrerseits die durchgängig gute Auswahl der Autoren.
„Die Literatur ist Garant dafür, Menschen in Dialog zu bringen“, sagte Landrat Frank Rock und fügte an: „Das Literaturforum leistet da ganz hervorragende Arbeit.“ Dann übergab er mir die Ehrenurkunde und heftete mir eine schöne Plakette, die alle Preisträger/innen erhalten, ans Revers.
Nach meinem Part auf der Bühne folgte noch ein Stück von den „Mesdames Musicales“ und eine insbesondere von den Grundschülern lautstark geforderte Zugabe, bevor alle Geehrten noch einmal zum Foto Shooting hinaufgebeten wurden. Danach schloss Olly Hahn den offiziellen Teil der Veranstaltung. Es folgte das gemütliche Beisammensein in dem wunderschönen Kinosaal, während dem es sehr schmackhafte Häppchen gab. Als ich es mir auf einem Barhocker an der Theke gemütlich gemacht hatte, genoss ich die angenehme Atmosphäre mit zahlreichen Freunden – auch Frechens Bürgermeisterin Susanne Stupp und der Ex-Redaktionsleiter der Rhein-Erft-Ausgabe des „Kölner Stadt-Anzeigers“ und der „Kölnischen Rundschau“, Bernd Rupprecht waren gekommen – und anderen netten Menschen und fühlte mich im wahrsten und besten Sinne geehrt. Deshalb bedankte ich mich auch bei allen, die diese tolle Veranstaltung ermöglicht hatten, persönlich.