Zehntausende Tote durch Erdstöße in Südost-Türkei und Nord-Syrien
Die circa 550 Kilometer lange Ostanatolische Verwerfung (in der Grafik: East Anatolian Fault) ist auf dieser NASA-Grafik violett gekennzeichnet. Nordwestlich und südöstlich dieses tektonischen Bruchs ereignete sich die Naturkatastrophe, die zehntausende Todesopfer und Verletzte forderte.
Dieser und die im Anschluss folgenden Beiträge werden fortlaufend aktualisiert. Derzeitiger Stand dieses Artikels: 7. Februar 2023, 20.17 Uhr. Die neuesten Nachrichten aus dem Erbebengebiet vom 20. Februar 2023 finden Sie ganz unten.
Verheerende Erdstöße am frühen Morgen und Mittag des 6. Februar 2023 sowie 1.891 Beben zwischen und nach den Höhepunkten haben in der Südost-Türkei und Nordsyrien bisher über 44.000 Todesopfer und mindestens 85.000 zum Teil schwer Verletzte gefordert. Circa 85.000 eingestürzte oder schwer beschädigte Gebäue wurden bisher allein in der Türkei gezählt. Aufgrund zahlreicher verschütteter Personen gehen die Rettungskräfte davon aus, dass die Opferzahlen weiter steigen werden. Dennoch sind trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt noch am 10. Februar noch Menschen aus den Trümmern gerettet worden, in einem Fall eine sechsköpfige Familie.* Das erste schwere Beben gegen 4 Uhr morgens erreichte eine Magnitude von 7,7 und dauerte 47 Sekunden an, das zweite in der Mittagszeit war mit 7,6 annähernd ebenso stark. Die US-Hilfsorganisation Pacific Desaster Center geht davon aus, dass 23 Millionen Menschen in einem Gebiet nahezu so groß wie Deutschland von der Naturkatastrophe betroffen sind. Das Epizentrum der Erdstöße soll in der Nähe der türkischen Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Gaziantep gelegen haben. Auswirkungen der Beben seien noch in in Teilen Ägyptens, des Libanons und Zyperns zu spüren gewesen.
Der bekannte türkische Geophysiker und Erdbebenspezialist Övgün Ahmet Ercan sagte in einem Interview von SPIEGEL.de vom 10. Februar 2023, dass die Bebenserie möglicherweise die schwerste Naturkatastrophe der vergangenen 500 Jahre sei. Ausschließlich anhand behördlicher Zahlen hat er hochgerechnet, dass etwa 200.000 Menschen verschüttet worden sein könnten, von denen bisher 8.000 gerettet worden seien. (Andere Quellen berichten von immerhin 23.000 Geretteten.) Ercan hält es für möglich, dass die Zahl der ums Leben gekommenen Menschen sechsstellig werden könnte.
Aufgrund der Nachbeben, eingestürzter und einsturzgefährdeter Gebäude trauten sich die Menschen trotz Minustemperaturen und Schneefalls in weiten Teilen der betroffenen Region kaum in ihre Häuser und übernachteten zunächst im Freien, inzwischen zumeist in Zelten. Große Gebiete sind von der Strom- und Gasversorgung abgeschnitten. Das öffentliche Leben steht seit der Katastrophe weitgehend still, der Schulunterricht wurde bis zum 13. Februar ausgesetzt. Auch Sportveranstaltungen sind vorläufig ausgesetzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rief für zehn Städte den Notstand aus. Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden in der türkisch-syrischen Grenzregion insbesondere die Lager, in denen Millionen vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohener Menschen untergebracht sind. Bisher ist die Türkisch-syrische Grenze immer noch nicht für Rettungskräfte und Hilfsmaterial geöffnet worden.
Die Suche nach und Rettung von Überlebenden war von Beginn an ein Rennen gegen die Zeit. Das Zeitfenster hat sich inzwischen weitgehend geschlossen. Obwohl inzwischen fast nur noch Tote geborgen, geschehen immer noch „Wunder“. So retteten die Hilfskräfte am Morgen des 14. Februar 2023 einen 77-jährige Mann Frau aus dem Schutt eines eingestürzten Hauses in der Provinz Hatay in der Provinz Adiyaman. Er hatte 212 Stunden, also nahezu neun Tage unter den Trümmern überlebt. Kurz darauf meldeten Hilfskräfte die Rettung einer 26-jährigen Frau in der Provinz Hatay. Später am Tag konnte auch noch ein 65-jähriger Mann mit einem jungen Mädchen lebend geborgen worden.
Erschwerend war in der ersten Zeit nach den schweren Beben, dass manche Katastrophengebiete schwer zugänglich waren. Övgün Ahmet Ercan betonte im Interview, dass die ersten sechs Stunden nach einem solchen Ereignis entscheidend seien. Doch in vielen Gegenden seien nach dieser Zeit noch keine Rettungskräfte eingetroffen. Und die seien in zu geringer Zahl, die auch noch auf die große Anzahl eingestürzter Gebäude hätten verteilt werden müssen, eingetroffen. Besonders in den Provinzen Hatay und Adiyaman sei dies der Fall gewesen. Tatsächlich waren manche betroffenen Städte und Dörfer nach mehr als einem Tag noch ohne offizielle Hilfskräfte und die Überlebenden daher auf sich selbst angewiesen. Ercan wies darauf hin, dass ein weiterer problematischer Umstand gewesen sei, dass sich die meisten Menschen beim ersten schweren Beben am frühen Morgen gegen 4 Uhr in der Tiefschlafphase befunden hätten und nur mit Pyjamas bekleidet gewesen seien, während das Thermometer draußen auf fünf Grad minus gefallen war.
Schon bald nach der Katastrophe entsandten viele Länder Hilfskräfte. So hatte Griechenland bereits kurz nach Bekanntwerden der schweren Beben erste Hilfskräfte unter anderem mit Suchhunden in die Türkei geschickt, obwohl es derzeit zwischen beiden Ländern erhebliche Spannungen aufgrund von Hoheitsrechten in der Ägäis gibt. Einige Stunden nach dem Beben telefonierten der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan miteinander, wobei Erdogan sich für die Hilfe bedankt haben soll.
Zahlreiche weitere Staaten haben der Türkei Unterstützung zugesagt bzw. diese auf den Weg gebracht. Die Europäische Union hatte dafür ein Kontingent von 1.200 Helferinnen und Helfern geschickt. Am Vormittag des 7. Februar waren von Düsseldorf aus 50 auf die Ortung und Bergung verschütteter Personen spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks Richtung Türkei aufgebrochen. Die Vereinten Nationen sagten eine Soforthilfe in Höhe von 25 Millionen US-Dollar zu. Die Türkei bat ihre NATO-Partner insbesondere um Feldlazarette mit Personal. Aufgrund der vielen Verletzten gab es im Katastrophengebiet zu wenig Ärzte.
Im Zusammenhang mit den nur schwerfällig angelaufenen Rettungsmaßnahmen in der Türkei selbst wurde darauf hingewiesen, dass nach dem schweren Erdbeben im Jahr 1999, dem 17.000 Menschen zum Opfer fielen, die sogenannte Erdbebenhilfe-Abgabe eingeführt worden war. Dabei handelte es sich um eine auf Telekommunikation erhobene Zusatzgebühr, die seither 88 Milliarden türkische Lira (= 4,67 Mrd. Dollar) in die Staatskasse gespült haben soll. Den Verantwortlichen wird vorgeworfen, das Geld zweckentfremdet in die Kanäle der Bauwirtschaft gelenkt zu haben. Inzwischen ist laut SPIEGEL.de ein Video aus dem Jahr 2011 aufgetaucht, in dem der damalige Finanzminister Erdogans einräumt, dass die Einnahmen aus der zweckgebundenen Abgabe keineswegs nur in sicherere Gebäude, sondern auch in andere Infrastrukturprojekte wie Straßenbau, Schienenstrecken und andere Maßnahmen geflossen seien. Övgün Ahmet Ercan dass nach dem damaligen Erdbeben neu gebaute teils viele Stockwerke hohe Gebäude als „erdbebensicher“ deklariert worden seien, es in Wahrheit aber nicht waren. Insbesondere in den letzten Jahren seien die ab 1999 beschlossenen Bauvorschriften lasch oder gar nicht mehr überwacht und dadurch immer weniger eingehalten worden.
Scharfen Widerspruch gibt es auch gegen die von den Behörden verhängte Twitter-Sperre. Schließlich hätten zahlreiche verschüttete Menschen gerettet werden können, weil sie mittels sozialer Medien Kontakt zur Außenwelt aufgenommen hatten und so auf ihre prekäre Lage hätten aufmerksam machen können.
Trotz aller Kritik an den schwerfällig anlaufenden staatlichen Hilfsmaßnahmen sind auf von Satelliten aufgenommenen Vorher- / Nachher-Bildern erste Zeltdörfer zu erkennen, die darauf schließen lassen, dass nicht alle überlebenden von den Beben Betroffenen weiterhin schutzlos den widrigen Temperaturen ausgesetzt sind und zumindest punktuelle Hilfe eingetroffen ist.
Im Gegensatz dazu betonte die SPIEGEL-Redakteurin Melanie Amann in der „Lage am Morgen“ vom 8. Februar, dass „der wahre Albtraum“ in Nordsyrien stattfinde. Dort seien gerade die Flüchtlingslager, in denen hundertausende vor dem Bürgerkrieg geflohene Menschen ohnedies in schwierigsten Verhältnissen lebten, besonders betroffen. Die Weltgesundheitsorganistation (WHO) und zahlreiche Politiker haben den syrischen Machthaber Baschar al-Assad aufgerufen, die Grenzen für Hilfslieferungen auch zu Gebieten, in denen sich überwiegend Gegner des Regimes befänden, zu öffnen.
Ungeachtet von politischen und logistischen Problemen im Zusammenhang mit den Hilfsmaßnahmen betonen Erdbebenexperten übereinstimmend, dass solche schweren Erdstöße früher oder später erwartbar gewesen seien. Aufgrund der Kontinentaldrift bewegten sich die Anatolische und die Arabische Platte in verschiedene Richtungen, wodurch sich entlang der circa 550 Kilometer langen Ostanatolischen Verwerfung immense Spannungen aufgebaut haben. Nachdem für die Region kein starkes Erdbeben innerhalb der zurückliegenden 1.000 Jahre mehr dokumentiert ist, dürfte die während der jetzigen Bebenserie entladene Energie sich über hunderte von Jahren aufgebaut haben, hieß es.
* Über eine besonders anrührende und nahezu unfassbare Rettung in dem nordsyrischen Ort Dschandairir in der Region Afrin berichtete SPIEGEL.de am 7. Februar 2023. Nachdem dort ein vierstöckiges Haus eingestürzt war, hörten Angehörige einer offenkundig verschütteten Familie, wie sie der französischen Nachrichtenagentur AFP schilderten, Geräusche aus den Trümmern. Tatsächlich konnten sie ein stark unterkühltes neugeborenes Mädchen bergen, das beim Fund noch mit der Nabelschnur mit seiner toten Mutter verbunden war. Seine gesamte restliche Familie – ihr Vater, drei Schwestern, ein Bruder und eine Tante – hätten in der Folgezeit nur tot geborgen werden können.
Nachdem das gerettete Mädchen in eine Klinik in Afrin gebracht worden war, berichtete der behandelnde Arzt AFP, dass der Säugling 3.175 Gramm wiege und zwei Prellungen erlitten habe. Aufgrund der starken Unterkühlung befinde es sich in einem Inkubator und sei, da es bis dahin noch keine Milch erhalten habe, per Infusionen mit Aufbaupräparaten versorgt worden. Der Arzt schätzte, dass das Mädchen circa sieben Stunden nach dem Einsturz des Wohnhauses geboren worden sei. Sein Zustand sei inzwischen stabil.
Das Ausmaß der Naturkatastrophe zeigt sich auch nach über zehn Tagen erst teilweise
Jüngste Aktualisierung: 21 Februar 2023, 3.50 Uhr
Auch zehn Tage nach dem verheerenden Erdbeben in der Südost-Türkei und Nordwest-Syrien offenbart sich das wahre Ausmaß an Opfern und Zerstörung immer noch erst teilweise. Inzwischen ist die Zahl der Todesopfer auf über 47.000 gestiegen. Kurum sprach von inzwischen 4.700 registrierten Nachbeben. Das sei im Durchschnitt alle vier Minuten eines gewesen. Gleichzeitig warnte der Katastropgenschutz Afad, dass in den nächsten tagen mit weiteren Erdstößen, von denen einige die Magnitude 5,0 überschreiten könnten, zu rechnen sei. Zu diesen erschreckenden Zahlen und Informationen kommt hinzu, dass immer mehr Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Hilfsmaßnahmen bekannt werden. Der Bürgermeister Istanbuls, Ekran Imamoglu, dessen 15-Millionen-Einwohner-Stadt ebenfalls in einer stark erdbebengefährdeten Region liegt, kritisierte das Krisenmanagement von Präsident Recep Tayyip Erdogan inzwischen scharf.
Inzwischen sind laut dem türkischen Minister für Stadtplanung, Murat Kurum, sind allein in seinem Land 84.000 Wohn- und andere Gebäuden, die bei den Erdstößen eingestürzt sind oder schwer beschädigt worden. Dort sind ebenfalls tausende Gebäude unbewohnbar. Derweil ist in den von der Naturkatastrophe betroffenen syrischen Gebieten, die unter Kontrolle oppositioneller Kräfte stehen, noch keinerlei Hilfe aus den regierungstreuen Regionen angekommen. Allerdings ist am Mittag des 17. Februar ein von Frankfurt / Main aus gestartetes Flugzeug gelandet. Der Flug war der Auftakt einer Luftbrücke, mit der dringend benötigte Hilfsgüter, teils über Lybien, in von Assad nicht kontrollierte Gegenden gebracht werden sollen.
In Damaskus soll ein Regierungsvertreter indessen örtliche Würdenträger gewarnt haben, Geld in das Katastrophengebiet zu schicken. Ohnedies ist es auch für ausländische humanitäre Organisationen schwer bis unmöglich, in dem durch den mittlerweile zwölf Jahre andauernden Bürgerkrieg zersplitterten Land Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Hilfsgüter aus der Türkei sind wohl angekommen, doch ein innersyrischer Konvoi aus einem Regierungsgebiet wurde von einer Miliz gestoppt. Derweil wollen zahlreiche Länder nicht mit dem Assad-Regime zusammenarbeiten, weil dokumentiert ist, dass die Hilfsgüter als Machtmittel missbraucht werden.
In der Türkei soll jeder durch das Erdbeben Geschädigte immerhin 500 Euro staatliche Unterstützung bekommen. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP warf dem staatlichen Katastrophenschutz Afad, der dem Innenministerium unterstellt ist, vor, 85 für die Menschen in dem Erdbebengebiet bestimmte Öfen sowie Holz und Kohle von LKWs geholt und in eigene Depots gebracht zu haben. Afad habe sich bisher nicht dazu erklärt. Schon länger gibt es den Vorwurf, die Regierung etikettiere Hilfsgüter der Opposition, insbesondere Heizgeräte, in ihrem Sinne um. Insbesondere in Kahramanmaras, Ganziantep und Adiyana soll dies der Fall gewesen sein. In diesen Gegenden sind die Temperaturen in den vergangenen Nächten bis unter den Gefrierpunkt gefallen.
Inzwischen gibt es dem Chef der türkischen Ärztekammen, Selahattin Mentes, zufolge auch Probleme bei der Trinkwasserversorgung. Dies sei beispielsweise im Bezirk Nurday in der Zweimillionenstadt Gaziantep der Fall. Anderswo würden sich möglicherweise aufgrund geborstener Leitungen Kanalabwässer ins Trinkwasser gelangen und dieses verseuchen. Gleichzeitig werde die Müllentsorgung sehr dringend, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern.
Wenn auch nur noch sehr selten, geschehen immer noch Wunder. So ist das 17-jährige Mädchen Aleyna Ölmez nach 248 Stunden, also über zehn Tagen, aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses gerettet worden. Der Bergmann und Rettungshelfer Ali Akadan sagte zur französischen Nachrichtenagentur AFP: „Wir freuen uns immer, wenn wir etwas Lebendiges finden. Sogar über eine Katze.“ Der Onkel des geretteten Mädchens nahm jeden beteiligten Helfer in den Arm und sagte ihm unter Tränen: ‚Wir werden dich nie vergessen.’“ Noch länger, nämlich 261 Stunden, nach dem Einsturz eines Gebäudes in Antakya harrten laut dem staatsnahen Sender CNN Türk zwei Verschüttete unter Schutt begraben aus, bevor sie am 18. Februar gerettet worden seien.
Ebenfalls elf Tage nach den Beben konnte sogar ein viel größeres Tier als eine Katze lebend geborgen werden: Eine Frau im türkischen Teil des Bebengebietes hat es geschafft, ihre verschüttete Kuh all die Tage lang mit Futter und Wasser zu versorgen. Jetzt konnte das Rind sein lebensfeindliches Gefängnis verlassen und endlich wieder das Tageslicht erblicken.
Die bisher jüngsten gelungenen Rettungsaktionen: Laut der Nachrichtenagentur Andadolu wurde wurde in der Provinz Hatay 278 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben lebend geborgen. Weitere 18 Stunden später – also nach über zwölf Tagen – sollen noch ein Ehepaar mit einem zwölfjährigen Jungen aus den Trümmern geborgen worden. Der Junge sei allerdings kurz darauf in einem Krankenhaus an Dehydrierung gestorben. Trotz dieser Erfolgsmeldungen sollten die Rettungsmaßnahmen der Nachrichtenagentur AP zufolge am Sonntag eingestellt werden.
Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat dafür, dass in den von den Erdbeben betroffenen Regionen, die weitestgehend in von oppositionellen Kräften beherrscht werden, so viele Menschen überlebt hätten und die Folgen der Erdbeben überstünden, in einer zynischen Rede eine bizarre Begründung geliefert: In Syrien seien die Menschen durch den nunmehr seit 11 Jahren andauernden Bürgerkrieg gegen Naturkatastrophen abgehärtet.
Ungeachtet dessen ließ es sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht nehmen, Eliteeinheiten des aufgrund des Krieges in der Ukraine sehr erfahrenen und routinierten Katastrophenschutzes in die von den Beben betroffenen syrischen Gebiete zu entsenden, damit sie dort die ebenfalls vor russischen Bomben und Raketen geflohenen Menschen retten und unterstützen.
Am 21. Februar besuchten die deutscher Außenministerin Annalena Baerbock und die Innenministerin Nancy Faeser gemeinsam die von den Beben stark betroffene 2,2-Millionen-Einwohnerstadt Gazientep. Bis dahin hatte die Bundeswehr mit mehr als 20 Flügen bereits über 350 Tonnen Hilfsmaterial dorthin gebracht, darunter 100 Zelte, 400 Feldbetten, über 1.000 Schlafsäcke, die von Technischen Hilfswerk an den türkischen Katastrophenschutz Afad übergeben wurden. Über Gaziantep werden zudem die Hilfslieferungen für das syrische Erdbebengebiet abgewickelt.
Vor diesem Hintergrund wurde kritisiert, dass Deutschland die Visaverfahren für Flüchtlinge aus den Katastrophengebieten noch nicht, wie versprochen, vereinfacht habe. Dieses sei nach wie vor hochkompliziert und gerade die Menschen, deren Häuser eingestürzt seien, könnten all die verlangten Papiere und Unterlagen, die zumeist unter den Trümmern lägen, kaum beibringen.
Weiteres starkes Beben im türkisch-syrischen Grenzgebiet
Stand: 21. Februar 2023, 1.33 Uhr
Während die Zahl der Todesopfer der schweren Erdstöße am 6. Februar 2023 in der Südwest-Türkei und in Nordwest-Syrien inzwischen auf über 47.000 gestiegen ist, ereignete sich in der Region erneut ein mit einer Stärke von 6,4 heftiges Erdbeben. Bisher wurden aus der Türkei drei Tote und 294 Verletzte, 18 davon schwer, sowie aus Syrien laut der dortigen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 470 Verletzte hauptsächlich im Raum Aleppo gemeldet.
In beiden Ländern sollen auch wieder Gebäude eingestürzt sein. Das Epizentrum des Bebens soll im türkischen Bezirk Samandag gelegen haben. Die Provinz Hatay soll am stärksten betroffen sein. Dort gab es auch einen Stromausfall.
Laut dem türkischen Katastrophenschutz Afad seien es auch dieses mal zwei Beben gewesen, die mit Stäken von 6,4 und 5,8 allerdings schon innerhalb von drei Minuten aufeinander gefolgt seien. Dem türkischen Vizepräsidenten Fuat Öktay zufolge habe es mindestens 20 Nachbeben gegeben. Weitere Quellen geben an, dass die erneuten Erdstöße noch in Israel und im Irak zu spüren gewesen seien.
In der Stadt Antakya versuchten Rettungskräfte der Nachrichtenagentur Amadolu zufolge derweil, drei verschüttete Menschen aus den Trümmern zu bergen. In der Küstenstadt Iskenderun werde zur Zeit ein staatliches Krankenhaus evakuiert.