Im Sinne der Pressefreiheit: Elon Musk gehört der Stecker gezogen
Ein Kommentar von Mika Beuster
Es sind widerliche Szenen, die das russische Staatsfernsehen aus einem Moskauer Stadion überträgt: Aus Mariupol verschleppte Kinder, so berichten etliche internationale Journalist:innen übereinstimmend, müssen sich am Mittwoch vor laufenden Kameras bei ihren vorgeblichen „Rettern“ bedanken. Zuvor hatte das ZDF in Frontal kritisch über zwangsadoptierte und entführte Kinder und SOS-Kinderdörfer in Russland berichtet. Danach waren auf Twitter der ZDF-Frontal-Account und der des Autors gesperrt. Es zeigt sich einmal mehr: Twitter wird seiner Verantwortung nicht gerecht.
Einzige Konsequenz: Boss Elon Musk gehört der Stecker gezogen. Einfach willkürlich Accounts deutscher Medien und Journalisten sperren darf nicht sein. Ob der von Twitter angegebene Grund, dass die in den Accounts angegebenen Geburtsdaten nicht korrekt seien, stimmt, ist am Ende egal. Die Musk-Plattform sperrt Accounts auch ohne Anhörung. Wie der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun erklärt, dass sich Twitter nicht an Paragraf 3b des NetzDG hält – wegen einer Vereinbarung mit dem Bundesjustizministerium. Eigentlich war das nur für eine Übergangszeit gedacht, erklärt der Medienanwalt. Gut wäre, Twitter würde sich an das Gesetz halten, sagt Jun. Besser wäre es, die Bundesregierung würde es auch durchsetzen – dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Der Autor dieses Beitrages, Mika Beuster, ist Digital-Chef der „Nassauischen Neuen Presse“ und des „Weilburger Tageblattes“. Er wurde auf dem Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) 2019 zum Beisitzer in den Vorstand gewählt und zwei Jahre später zum stellvertretenden Vorsitzenden des DJV. Foto: DJV
Doch ob es so kommt, ist offen. Richtig Dampf gibt es aus Berlin in der Sache weder vonseiten des Justizministeriums, noch von der Staatsministerin im Kanzleramt. Doch die Zeit drängt, die Plattformen endlich dazu zu bringen, sich an Recht und Gesetz zu halten. Denn auch am Mittwoch berichtet der Spiegel, dass – kaum überraschend – pro-russische Accounts sich den blauen „Verifikationshaken“ bei Twitter kaufen. Genau das war das, vor dem Kritiker gewarnt hatten – dass es auf der Plattform, die seit Musks Übernahme mit Hass, Hetze und Desinformation geflutet wird, noch schwieriger werden wird, authentische von gefälschten Accounts zu unterscheiden. Musk, getrieben von Profitgier und dem Zwang, seinen milliardenteuren Kauf irgendwie gegenfinanzieren zu müssen, scheint gleichzeitig geradezu elektrisiert von dem Chaos, das er anrichtet.
Propaganda, Desinformation, Polemik – der Twitter-Chef postet und tweetet selbst wie ein Besessener alles, Hauptsache, es lässt die Emotionen hochkochen, immer weniger häufig tut er noch so, als würde er sich mit einem „Zwinker-Smiley“ distanzieren. Klar kann Elon Musk mit dem Begriff Pressefreiheit nichts anfangen. Denn es sind Journalist:innen, die seine Praktiken entlarven und darstellen. Journalismus ist eine Gefahr für sein Geschäftsmodell – das wiederum eine Gefahr für freie Gesellschaften ist. Gerade vor wichtigen Wahlkämpfen in den westlichen Demokratien, die wohl wieder Ziel von Destabilisierungsversuchen von Autokraten und Diktaturen vor allem auch in sozialen Netzwerken wie Twitter sind, muss Elon Musk der Stecker gezogen werden – bevor es zu spät ist.
Dieser Kommentar stammt aus dem DJV-Blog und wurde AUSSICHTEN von Mika Beuster freundlicherweise zur Verfügung gestellt.