Zahlreiche Tote bei Havarie eines Flüchtlingsschiffes
Bis zu 500 Menschen, womöglich gar noch mehr, befürchtet die Internationale Organisation für Migration, sind bei der Havarie eines völlg überladenen Flüchtlingsschiffes knapp 90 Kilometer südwestlich der griechischen Halbinsel Peleponnes ertrunken. Der Fischkutter sei, so die griechischen Behörden, in Ägypten aufgebrochen und habe die Überfahrt im libyschen Tobruk begonnen. Das Unglück, das wahrscheinlich zu den schwersten im Zusammenhang mit Migration im Mittelmeer gehört, hatte sich am Mittwoch, dem 14. Juni 2023 in internationalen Gewässern, in denen Griechenland für die Seenotrettung zuständig ist, ereignet. Es wurden 104 Überlebende, allesamt Männer, und 78 Tote geborgen. An Bord sollen sich aber auch Kinder und schwangere Frauen befunden haben. In Griechenland wurden drei Tage Staatstrauer angeordnet.
Das später gesunkene Flüchtlingsschiff. Foto: Griechische Küstenwache
Von den Überlebenden wurden neun Ägypter im Alter zwischen 20 und 40 Jahren verhaftet, die die Behörden für Schleuser halten, unter ihnen auch der Kapitän des gesunkenen Schiffes. Sie sollen wegen fahrlässiger Tötung, Menschenhandels und der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt werden.
Doch auch die griechische Küstenwache sieht sich kritischen Fragen ausgesetzt. So hatten italienische Behörden ihre griechischen Kollegen bereits einen Tag vor dem Unglück darüber informiert, dass sie Kontakt zu dem Flüchtlingsschiff, das sich aber im griechischen Zuständigkeitsbereich befand, hätten. Zudem habe es aus einem Helikopter gemachte Aufnahmen von dem völlig überladenen Schiff gegeben. Weshalb also hat die griechische Küstenwache erst Stunden nach der Havarie mit Rettungsmaßnahmen begonnen? Und welche Rolle spielte ein Tau, das die Küstenwache den Menschen auf dem Flüchtlingsschiff zugeworfen haben soll? Sollte der Kutter abgeschleppt werden?
Die griechischen Behörden betonen, dass ein Abschleppversuch unternommen worden, dieser aber von den Menschen an Bord abgelehnt worden sei, weil sie weiter nach Italien hätten fahren wollen. Dennoch stellen einige Beobachter sich die Frage, ob dieser Versuch womöglich gar zum Kentern des Schiffes beigetragen hat. Das würde zu den Zeugenaussagen passen, denen zufolge das Schiff zunächst ruhig im Wasser gelegen habe, dann aber plötzlich ins Schlingern geraten und gekentert sei. Doch auch eine Massenpanik an Bord, durch die es zu einer Verlagerung des Schwerpunktes des überladenen Schiffes gekommen sein könnte, scheint denkbar. Die griechischen Behörden betonen, dass von der Besatzung des Flüchtlingsschiffes auch die angebotene Hilfe von vorbeifahrenden Frachtern abgelehnt worden sei. Gleichwohl gibt die Hilfsorganisation „Alarm Phone“, die sich als Kontaktstelle für in Not geratene Flüchtlingsboote versteht, an, telefonischen Kontakt zu Menschen an Bord, die panisch um Hilfe gefleht hätte, gehabt zu haben. Recherchen des britischen Senders BBC zufolge soll sich das Schiff in den letzten sieben Stunden vor dem Umglück kaum noch bewegt haben.
Bald nach Bekanntwerden der Katastrophe kam es in Athen zu Protesten, deren Teilnehmer eine grundlegende Änderung der griechischen Flüchtlingspolitik forderten. Am 18. Juni 2023 meldeten die pakistanischen Behörden, zehn mutmaßliche Schlepper verhaftet zu haben, neun davon im pakistanischen Teil Kaschmirs, aus dem ein Großteil der Geflüchteten stammte. In Pakistan geht man davon aus, dass sie Teil einer großen Bande, deren Hinterleute in Ägypten und Italien vermutet werden, sind. Über einen Reiseveranstalter seien die „Tickets“ für die tödliche Reise für 2,2 Millionen pakistanischer Rupien (umgerechten 7.653 Euro) verkauft worden sein.