Der Super-GAU von 1986

Der Super-GAU von 1986

Tschernobyl lässt einen nicht mehr los


Der nachfolgende Text, der im Aktuelles Zeitgeschehen Informationsdienst erschien, entstand auf Basis der Recherchen, die ich für einen Beitrag zur ARD-Sondersendung Tschernobyl – die Spur von Tod und Lüge im Februar 1996 in der „Verbotenen Zone“ anstellte. Jetzt, 26 Jahre danach, herrscht Krieg in der Ukraine. Ich betrachte mit Grausen, dass das mit sechs Reaktoren größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja von der russischen Seite offenkundig als Deckung benutzt wird und es bei den Kämpfen bereits durch Einschläge von Artilleriegranaten beschädigt wurde.

Doch zuvor lag, bis zum Rückzug der Russen aus der Nordukraine, auch das Atomkraftwerk Tschernobyl in der Kampfzone und war von den Angreifern besetzt. Und ich hatte damals während und nach meiner Reise gedacht, dass die Menschen dort bereits einer Art Krieg, bei dem immense Strahlung freigesetzt wurde, gehabt hätten. Dass Menschen jemals Kernkraftwerke und deren Infrastruktur in Kriegshandlungen einbeziehen, über sie hinweg schießen und sie mit fehlgelenkten Waffen treffen würden, habe ich mir nach dem Super-GAU uns dessen Auswirkungen in meinen übelsten Träumen nicht vorstellen können.


Von Jürgen StreichEs begann mit einem Experiment, bei dem Sicherheitsmaßnahmen ausprobiert werden sollten und endete in der größten Industriekatastrophe der Geschichte – dem Super-GAU von Tschernobyl. Ein großer Teil des radioaktiven Inventars des RBMK-1000-Reaktors, der zuvor auch von westlichen Experten als sicher betrachtet worden war, drang in die Umwelt. 140.000 Menschen mussten evakuiert und verschiedene Sperrzonen eingerichtet werden.

Blick von Pripjat aus auf den alten Sarkophag um den havarierten Reaktorblock 4. Fotos: Maria Ostler

Auch zehn Jahre nach der Explosion des Atommeilers ist nicht absehbar, wie viele Menschen an Leukämie, Schilddrüsenkrebs und anderen von der Strahlung verursachten Leiden sterben werden. Schätzungen reichen bis in den Millionenbereich. Inzwischen sind in der Kiewer Region und im südlichen Weißrussland besonders viele Kinder krank. Dabei ist unstrittig, dass die Auswirkungen globaler Natur sind.

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