Wladimir Putin – Der unwürdige Judo-„Meister“

Wladimir Putin – Der unwürdige Judo-„Meister“

Wandbild des Street Art-Künstlers Bansky in der Ukraine.

Er ist noch nie auch nur einen Schritt auf dem „Edlen Weg“ gegangen

Von Jürgen Streich*

Dieses Bild des britischen Streetart-Künstlers Bansky auf einer maroden Mauer eines zerbombten Hauses in der Ukraine zeigt nicht lediglich einen Judo-Wurf, sondern birgt eine tiefergehende Bedeutung. Da darauf zu sehen ist, wie ein Kind einen erwachsenen Mann wirft, also der Schwächere den Starken besiegt, hat es durchaus einen starken Bezug zur Kriegswirklichkeit nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Da war der Kreml davon ausgegangen, mit einem Durchmarsch bis Kiew sei der Sieg innerhalb weniger Tage quasi im Spaziergang erreicht. Doch es kam ganz anders, die vermeintlich schwache Ukraine hielt stand und es gelang deren Streitkräften, die scheinbar übermächtigen Russen mehr und mehr zurückzudrängen.

Judo wird häufig mit „Der sanfte Weg“ übersetzt, doch sanft geht es auf den Matten insbesondere in der Wettkampfpraxis eher selten zu. Zutreffender ist die Übersetzung als „flexibler“ oder „intelligenter“ Weg. Auch da gibt es Parallelen zur Wirklichkeit auf den ukrainischen Schlachtfelern: Militärfachleute auf der ganzen Welt sind sich einig darin, dass die russische Militärführung zahlreiche und teils schwerwiegende Fehler begangen hat, während die Kriegführung seitens der Ukraine als intelligent und den jeweiligen Lagen angepasst beschrieben wird.

Banskys Wandbild wird den Judoka und einstigen Stadtmeister von Leningrad, Wladimir Putin, auch deshalb besonders ärgern, weil darauf seine Kampfsportart in Bezug zum – obwohl ausgesprochen brutal bis kriegsverbrecherisch vorgehenden – schwächelnden russischen Militär gesetzt wird. Der österreichische Autor Robert Misik schrieb in seinem Buch „Putin – Ein Verhängnis“, dass der russische Präsident Judo von Beginn an als durchaus aggressive Ergänzung zu seinen angestrebten Fähigkeiten, jeden, egal wie, besiegen oder gar zerstören und im alltäglichen Überlebenskampf bestehen zu können. Dabei habe er sich mit ziemlich windigen Gestalten, die in der Judo-Szenerie eher selten anzutreffen und wenig gelitten sind, umgeben.

Liderlicher und dilettantischer Tai-otoshi von Wladimir Putin.

Er selbst beschrieb laut SPIEGEL vom 22. Dezember 2007 seine Sicht auf das Judo indessen so: „Sportarten wie Judo lehren uns gegenseitigen Respekt. Respekt für den Gegner, mit dem Wissen, dass ein schwach erscheinender Gegner sich wehren und sogar siegen kann, wenn man seine Konzentration fahren lässt und selbstzufrieden wird.“

Doch als Kriegsherr verhält er sich geradezu gegenteilig zu dieser Aussage. Von Charakterbildung, die im Judo ein angestrebtes Ziel ist, keine Spur. Die Kampftechniken sollen außerhalb der Matte ausschließlich zur Verteidigung von Leib und Leben von sich und anderen eingesetzt werden. Als russischer Präsident aber hat Putin bereits die tschetschenische Hauptstadt Grosny auf brutalste Weise nahezu dem Erdboden gleich bomben lassen. Und aktuell haben seine Truppen auf seinen Befehl hin ein friedliches Nachbarvolk völkerrechtswidrig angegriffen, sind also die Aggressoren. Auf die Zivilbevölkerung nehmen Putin und seine Schergen keinerlei Rücksicht, auch auf Kinder nicht. Im Gegenteil, durch gezielte Angriffe auf die Strom- und Wasserversorgung lässt er die Zivilbevölkerung in der Hoffnung quälen, dass diese kriegsmüde wird. Und nach dem verbrecherischen Massaker von Butscha dekorierte er die Tätertruppe mit hohen Auszeichnungen. Das ist in etwa so, als würde man im Judo dafür geehrt, dass man am Wettkampf Unbeteiligte auf hinterhältige und brutale Weise getötet hat. Und gar mit Atomwaffen zu drohen käme der Situation gleich, in der ein Judoka mit gezogener Schusswaffe in den Kampf geht. – Nein, das mit der Charakterbildung und dem Respekt vor dem Gegner hat der russische Präsident, der zu Beginn seiner Amtszeit das Buch „Judo lernen mit Wladimir Putin“ und später gemeinsam mit dem japanischen Judo-Meister Yasuhiro Yamashita eine Lehr-DVD veröffentlicht hat, grundsätzlich missverstanden.

Aber statt Putin wegen der rücksichtslosen Kriegführung in Tschetschenien und den von ihm genehmigten oder gar in Auftrag gegebenen Mordanschlägen auf politische Gegner, Kritiker und Abtrünnige sogar im Ausland achtkantig aus dem Verband zu werfen und von jeglichen Matten zu verbannen, wurden ihm gar noch hohe Ehrentitel verliehen. So wurde er zuerst zum Botschafter der Internationalen Judo-Föderation (IJF) ernannt und im Jahr 2008 auch noch zu deren Ehrenpräsidenten. – Ein Hohn schon damals.

„Judo lernen mit Wladimir Putin“ – Es gibt bessere Lehrer.

Mit Arkadi Rotenberg saß damals einer von Putins engsten Freunden im Vorstand der IJF. Auch deren Präsident, der in Rumänien geborene Marius Vizer, befürwortete die Ehrungen für den russischen Präsidenten. Mit Sergej Soloweitschik war ein weiterer Freund Putins Präsident der Europäischen Judo-Union.

Doch damit nicht genug. Anno 2011 erhielt er „ehrenhalber“ auch noch den 8. Dan-Grad verliehen. Dabei hat er mit Hilfe der Verbandsoberen einige Grade kurzerhand übersprungen. Derart hohe Dan-Grade werden normalerweise für außergewöhnliche Verdienste um den Judo-Sport vergeben, und das nur sehr selten. Solche Leistungen sind mir von Wladimir Putin nicht bekannt.

Apropos Leistung: Ich habe in den Filmausschnitten, die es von ihm auf der Matte gibt, bisher ausschließlich Standardtechniken gesehen, die ich von jedem Einsteiger nach ein bis spätestens anderthalb Jahren erwarten würde. In einer wohl ohne Genehmigung an die Öffentlichkeit gelangten Sequenz stellt er sich bei einem Armstreckhebel sogar ausgesprochen dämlich an. So hätte er gegen jeden mittelmäßigen Judoka verloren. Aber auch die grundlegenen Standard-Techniken zeigt Wladimir Putin derart mäßig bis schlicht falsch, dass er damit Probleme bei den Prüfungen zu den untersten Schülergraden bekäme. Kein Trainer und erst recht kein Prüfer lässt es aufgrund der damit verbundenen Verletzungsgefahr durchgehen, wenn der Schüler beziehungsweise Prüfling nach der Judorolle übers angewinkelte Knie wieder aufsteht. Dasselbe gilt für einen derart liderlich und falsch demonstrierten Tai-otoshi, wie ich ihn von Wladimir Putin gesehen habe. Kein auch nur etwas versierter Gegner ließe sich durch einen solcherart dilettantischen Wurfansatz aus der Ruhe bringen. Und sein Ukuri-ashi-barai (Fußnachfegen) benötigt schon sehr die für den Staatschef wohlmeinend eingesetzte Sprungfähigkeit seines Partners, damit diese Wurftechnik einigermaßen vorzeigbar aussieht, wäre es nicht so auffällig… – Diese und weitere Beispiele sind auf den Videosequenzen von Putins jüngstem Training mit der russischen Nationalmannschaft** zu sehen.

Nun darf und sollte man dem russischen Diktator zugestehen, dass er inzwischen 70 Jahre alt ist. Dass auch auf der Judo-Matte dann vieles nicht mehr so geht, wie in jüngeren Jahren, ist ein Schicksal, dass außer ihm noch andere alternde Judoka ereilt. Doch Putin geriert sich noch als der harte und erfolgreiche Kämpfer und Judo-Experte schlechthin. Dabei hat er wesentliche Aspekte der Kampfsportart nie begriffen.

Die „Washington Post“ schrieb am 18. Juli 2017 unter der Überschrift „Ist Putin ein Judo-Hochstapler?“: „Putin hat weithin den Ruf, ein Judo-Experte auf hohem Niveau zu sein. Sein Können sei so eindrucksvoll und bekannt, dass es zu einer Metapher für seinen Regierungsstil geworden ist.“ Die Zeitung zitiert den amerikanischen Martial Arts-Spezialisten und Dan-Träger im Taekwondo und Aikido, Benjamin Wittes, der sagt, dass Putins Judo-Fähigkeiten in keiner Weise derart hohe Auszeichnungen und Graduierungen rechtfertigen würden. In seinem Nationalen Sicherheits-Blog „Lawfare“ befand er nach intensivem Studium der Judo-Videos mit Wladimir Putin, dass dieser ein Betrüger und Hochstapler sei. Ihm war aufgefallen, dass dessen Gegner allzu leicht fallen und es keine Bilder gebe, auf denen der Staatschef angegriffen werde. Deshalb wolle Wittes letzteres am liebsten selber tun. Er sei jederzeit und an jedem Ort der Welt bereit, gegen Putin anzutreten.

Trotz aller Zweifel beweihräucherte der IJF-Präsident Marius Vizer den russischen Präsidenten bei der Verleihungszeremonie des 6. Dan-Grades anlässlich des 60-jährigen Bestehens der IJF und des 60. Geburtstages von Wladimir Putin den Geehrten als „perfekten Botschafter unserer Sportart“ und verstieg sich gar zu der Aussage, Putin repräsentiere die hohen Judo-Werte auf der ganzen Welt. – Auch das war damals schon lachhaft. Die Verleihung fand im Kodokan Judo-Institut in Tokio, quasi der Weltzentrale des Judo statt. Laut der Zeitschrift „Sunikai – Magazin rund um Japan“, sagte Putin damals: „Wenn ich zum Kodokan komme, habe ich ein Gefühl des Friedens, als wäre ich zu Hause.“ Naja, dort, wo er wirklich zu Hause ist, tritt er Friedensbestrebungen, wenn sie seinen Zielen im Wege stehen, geradezu mit Füßen.

Und das beim Training mit der russischen Nationalmannschaft: Wladimir Putin steht aus einer Judo-Rolle heraus über das angewinkelte Knie auf. Ein Fehler, für den man schon bei der Prüfung zum gelben Gürtel dicke Minuspunkte bekommt. – Man beachte übrigens die Farbkombination der Matte.

Putin als Repräsentant der hohen Judo-Werte auf der ganzen Welt…  – unfassbar. Auf den Urkunden derjenigen, die ein paar Jahre vor mir den 1. Dan erlangt hatten und damit zu Meistern wurden, stand damals noch sinngemäß: ‚Aufgrund seiner Fähigkeiten im Judo und seiner Persönlichkeit erhält XY den soundsovielsten Dan-Grad.‘ Doch Wladimir Putins Fähigkeiten im Judo sind mehr als fraglich und seine Persönlichkeit ist die eines schweren Kriegsverbrechers, der, wenn er nicht entsprechend deutliche Ansagen anderer Nuklearmächte erhalten hätte, auch nicht davor zurückgeschreckt wäre, in der Ukraine mit Atomwaffen zu hantieren.

Am 27. Februar 2022, drei Tage nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine, entzog die IJF dem Kriegsherrn, der längst als dringender Kandidat für eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehandelt wird, sowohl den Botschafter-Titel als auch die Ehrenpräsidentschaft. Immerhin. Aber man hätte sehr viel früher wissen können, welche Fehlgriffe die Ehrungen für den für seine Hinterhältigkeit, Lügen, Rücksichtslosigkeit und Brutalität bekannten Wladimir Putin waren.

Wahrscheinlich wollte man sich mit dem mitgliederstarken russischen Verband gutstellen. Wie weit dessen Einfluss reichte, konnte man bei den olympischen Spielen 2012 in London sehen. Als der deutsche Schwergewichtler Andreas Tölzer im Halbfinale gegen den Russen Alexander Michailin stand, befand sich Wladimir Putin unter den Zuschauern. Aufgrund höchst umstrittener Kampfrichterentscheidungen erreichte der Russe den Endkampf. Nahezu die gesamte Fachwelt hatte das exakt anders herum gesehen.

Summa summarum: Der russische Präsident Wladimir Putin ist nicht nur als Politiker eine Katastrophe, sondern auch ein höchst unwürdiger Judo-„Meister“. Hätte ich die Macht dazu, würde ich ihm die „ehrenhalber“ verliehenen Dan-Grade rückwirkend entziehen.

Der Internationale Taekwondo-Verband immerhin war konsequent genug, genau das zu tun. Obwohl Waldimir Putin diese Kampfsportart nie ausgeübt hatte, war ihm gar der 9. Dan verliehen worden. Doch kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde ihm dieser Ehrengrad mit der Begründung entzogen, dass „die brutalen Angriffe auf unschuldige Leben dem Motto des Verbandes und den Werten der Taekwondo-Welt widersprechen.“ In dieselbe Richtung ging die Initiative Athleten Deutschlands, als sie in einer Erklärung betonte: „Präsident Putin hat zum dritten Mal den Olympischen Frieden gebrochen und damit die Werte des Sports wiederholt mit Füßen getreten.“

Kaori Yamaguchi: „Er ist kein Judoka.“

Auch aus Japan, dem Mutterland des Judo, kommen deutliche Worte von prominenten Vertretern der Kampfsportart, die in dieselbe Richtung gehen. Kaori Yamaguchi beispielsweise war 1981 erste japanische Welt- und mehrfache Asienmeisterin. Beim Demonstrationswettbewerb des Frauen-Judo bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul gewann sie die Bronzemedaille. Inzwischen ist sie Mitglied des Japanischen Olympischen Komitees und trägt den 7. Dan-Grad. Sie erinnert an eine Aussage des Begründers des Judo: „Die Lehre von Jigoro Kano Sensei lautet: ‚Wenn du einmal Macht erlangst, nutze sie, um Gutes für die Welt zu tun.‘ Im Lichte dieser Lehre ist Putins Machtgebrauch in dieser Weise unzulässig, ein definitives No-Go. Er ist kein Judoka.“

Auch Yasuhiro Yamashita, den Wladimir Putin hoch verehrt und der mit ihm gemeinsam das bereits erwähnte Lehrvideo gemacht hat, äußert sich klar und eindringlich. Yamashita war neunmal alljapanischer Meister, viermal Weltmeister und 1984 Olympiasieger. Er ist Präsident des japanischen Judo-Verbandes, Vorsitzender des Japanischen Olympischen Komitees und trägt den 8. Dan. Zunächst stellt der 64-jährige auf seiner Website klar: „Ich bin nicht so gut mit Putin befreundet, wie alle denken.“ Dann weist er auf den Sinn des Judo hin und auf das, was der Angriffskrieg gegen die Ukraine vor diesem Hintergrund für ihn bedeutet: „Das Ziel des Judo ist es, geistig zu wachsen, Körper und Geist zu stärken, sich zu vervollkommnen und letztlich zum Wohle der Gesellschaft beizutragen.

Die Aggression seines Landes in der Ukraine ist gegen das Ethos des Sports. Wenn ich die Medienberichte über die unmenschlichen Taten in der Ukraine und die militärische Aggression Russlands verfolge, bricht mir das das Herz. Präsident Putin ist ein Judoka, und diese Handlungen widersprechen dem Geist und dem Zweck des Judo. Das kann nicht toleriert werden.

Als Judoka sind meine tiefe Trauer und meine Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und bei allen Judo-Liebhabern auf der ganzen Welt. Ich hoffe, dass diese feigen Taten gestoppt werden.“

Einer der erfolgreichsten Judoka der Welt sowie Vorsitzender des Japanischen Judo-Verbandes und des Nationalen Olympischen Komitees, Yasuhiro Yamashita: „Es bricht mir das Herz.“

Bleibt zu hoffen, dass Wladimir Putin Yasuhiro Yamashita seinerseits die Freundschaft kündigt, denn dieser aufrechte Judoka hat es nicht verdient, dass der verlogene Kreml-Herr sich noch länger mit ihm als „Freund“ schmückt. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, dass Putin durch Kungelei denselben hohen Dan-Grad trägt, wie der erfolgreiche und verantwortungsbewusste Yamashita durch Leistung und Engagement fürs Judo und die olympische Bewegung.

Bisher heißt es, eine Aberkennung von Putins Judo-Dan-Grad sei unrealistisch. Verwiesen wird dann oft darauf, dass selbst Shizuo Matsumoto – Deckname Shoko Asahara -, der die religiöse Sekte Aum Shinrikyo führte und später für den Giftgasanschlag auf die Tokyoter U-Bahn im Jahre 1995 und weitere Verbrechen hingerichtet wurde, seinen Dan-Grad behalten hat. Doch der Vergleich hinkt. Matsumotos Dan-Grad war durch Prüfungen erworben und daher allein juristisch schwer abzuerkennen. Der Moskauer Möchtegern-Zar indessen hat, außer seine Verbindungen spielen zu lassen, nichts für seine völlig überhöhte Gradierung getan und hätte dazu auch nicht ansatzweise die Fähigkeiten.

Auf dem „edlen Weg“ – so übersetzen nicht wenige den Begriff Judo – ist er noch nie auch nur einen einzigen Schritt gegangen.

Zurück zu Banskys Judo-Wandbild. Dieses lässt noch eine weitere Interpretation zu: Der Jüngere zeigt dem Älteren, wo es langgeht. So wie in der Klimapolitik. Da fordern ebenfalls junge Menschen die Politiker auf, dringenst erforderliche Schritte zur Eindämmung der Erderwärmung zu gehen. Auch in dieser für die Menschheit überlebenswichtigen Frage ist Wladimir Putin ein verantwortungsloser Vollversager.

Der Begründer des Judo, Jigoro Kano: „Wenn Du einmal Macht erlangst, nutze sie, um Gutes für die Welt zu tun.“

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* Der Verfasser dieses Beitrages ist Träger des – mit ordentlichen Prüfungen erworbenen – 2. Dan-Grades, gehörte von 1977 an zum Stammpersonal des Bundesleistungszentrums Köln und hat von 1980 bis 1984 in der Bundesliga gekämpft.

**  Ich habe übrigens auch einmal – noch unter ganz anderen Vorzeichen – mit der damals noch sowjetischen Nationalmannschaft trainiert.  Bei der Europameisterschaft 1980 in Wien war ich sowohl als Trainingspartner der bundesdeutschen Mannschaft (es gab seinerzeit ja auch noch die der DDR) als auch als Korrespondent der „Judo–Revue“ vor Ort. Dort startete damals die beeindruckende Erfolgsserie eines sowjetischen Nationalmannschaftsmitgliedes, des Letten Alexander Jazkewitsch. Der schlug damals einen Gegner nach dem anderen vorzeitig mit phänomenalen Varianten des Armstreckhebels Juji-gatame und wurde so zum ersten aber nicht zum letzten Mal Europameister in der Gewichtsklasse bis 86 Kilogramm. In den Kämpfen riskierte er, um in den Bodenkampf zu kommen, sogar Wertungen für seine Gegner, was, je nachdem, wie hoch dieses ausfielen, verglichen mit dem Schach dem Opfern eigener Figuren bis hin zur Dame gleichkam. Doch in Wien und auch danach noch sehr oft hebelte er seine Gegner allesamt schach-matt.

In der Kantine des Mannschaftshotels fragte ich Alexander Jazkewitsch, ob die Möglichkeit bestünde, von seinen Varianten ein paar Fotoserien als Lehrbeispiele für die „Judo-Revue“ aufzunehmen. Er selbst hatte nichts dagegen, sagte aber, dass er dazu seinen Nationaltrainer um Erlaubnis bitten müsse. Bereits am nächsten Morgen kam Alexander ebenfalls in der Hotel-Kantine auf mich zu und sagte, dass das klar ginge, ich am Nachmittag zum Training in der Halle Nummer soundso kommen und, da ich ja selbst Judoka sei, gerne auch meinen Anzug mitbringen solle. Dort war ich dann offenkundig willkommener Gast, trainierte noch mitten im Kalten Krieg und Jahre vor Glasnost und Perestroika – als Trainigspartner einer konkurrierenden Mannschaft! – mit der sowjetischen Nationalmannschaft. Anschließend erledigten wir dann das Foto-Shooting. – Ein unvergessliches Erlebnis, das mir zeigte, wie verbindend eine gemeinsame Leidenschaft, bei uns die zum Judo, wirken kann. Das zumal die DDR-Judoka damals durch – wie ich heute weiß – Stasi-Leute außerhalb der Kämpfe streng von allen anderen abgeschirmt wurden und sogar Interviews nur unter deren Kontrolle geben durften. Wenn überhaupt.

One Reply to “Wladimir Putin – Der unwürdige Judo-„Meister“”

  1. Besser, ironisch-schärfer und sarkastisch-humorvoller, auch fundierter und umfangreicher lässt sich nicht konstatieren, reflektieren, analysieren, kommentieren, argumentieren und disputieren, als Jürgen Streich, seines Zeichens Judoka und Humanist, es hier tut. Danke für diesen Beitrag!

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